Verfahrensgang

LG Bonn (Aktenzeichen 17 O 379/16)

 

Tenor

Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 02.06.2017 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 17. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 17 O 379/16 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmig gefassten Beschluss zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme - auch zu der Frage, ob die Berufung zur Vermeidung weiterer Kosten zurückgenommen wird - innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO.

Das angegriffene Urteil vom 02.06.2017 (Bl. 132 ff. GA) beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO) noch rechtfertigen die in der Berufungsinstanz zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§§ 513 Abs. 1, 529 ZPO). Zu Recht ist das Landgericht, auf dessen Entscheidungsgründe zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug genommen wird, von der Verwirkung des Widerrufsrechts des Klägers ausgegangen. Im Einzelnen:

1) Die Verwirkung beinhaltet einen Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten gem. § 242 BGB (BGH, Urt. v. 27.06.1957 - II ZR 15/56 = BGHZ 25, 47 ff.). Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Der Bundesgerichtshof hat zuletzt in drei maßgeblichen Entscheidungen überzeugend klargestellt, dass die Verwirkung eines Widerrufsrechts auch bei Verbraucherdarlehensverträgen in Betracht kommt (Urt. vom 11.10.2016 - XI ZR 482/15; Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15; Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 501/15, jew. juris). Weder stünden Unionsrechte der Anwendung des § 242 BGB dabei entgegen (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris Rn. 32; Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 501/15, juris Rn. 16) noch habe der Gesetzgeber einen gesetzlichen Ausschluss des Instituts der Verwirkung mit dem Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften eingeführt. Damit habe er aber zugleich zu erkennen gegeben, diesem Institut grundsätzlich schon immer Relevanz im Bereich der Verbraucherwiderrufsrechte zuzuerkennen. Ebenso wenig stehe dem Institut der Verwirkung die Unverzichtbarkeit des Widerrufsrechts gem. § 506 S. 1 BGB a. F. entgegen (BGH, Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris Rn. 34 f.; Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 501/15, juris Rn. 39).

2) Das für die Annahme der Verwirkung erforderliche sog. Zeitmoment liegt vor. Die maßgebliche Frist für das Zeitmoment beginnt dabei mit dem Zustandekommen des Verbrauchervertrags zu laufen (BGH, Urt. vom 11.10.2016 - XI ZR 482/15, juris Rn. 30; Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 564/15, juris Rn. 37; Urt. v. 12.07.2016 - XI ZR 501/15, juris Rn. 40). Zwischen dem Abschluss des Darlehensvertrages und dem Widerruf des Klägers lagen mehr als acht Jahre, was eine ausreichend lange Zeitspanne darstellt.

Die vom Kläger in der Berufung angeführte Auffassung des OLG Düsseldorf, wonach als frühester Anknüpfungspunkt für das Zeitmoment lediglich eine Frist von sieben Jahren nach Darlehensrückführung in Betracht komme, wenn nämlich die Bank die mit dem Kunden ausgetauschten Schriftstücke nach § 257 Abs. 4 und 5 HGB vernichten dürfe (OLG Düsseldorf, Urt. v. 25.11.2016 - 16 U 5/16, juris Rn. 60), überzeugt dagegen bereits deswegen nicht, weil insoweit der maßgebliche Beginn für die Frist nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung - nämlich der Vertragsschluss - außer Acht bleibt. Zudem widerspricht der Ansatz, das Zeitmoment an den Ablauf einer starren Mindestfrist zu binden, dem in der Rechtsprechung anerkannten Grundsatz, dass sich die erforderliche Zeitspanne nach den Umständen des Einzelfalls richtet, wobei insbesondere Art und Bedeutung des Anspruchs, die Intensität des vom Berechtigten geschaffenen Vertrauenstatbestandes und das Ausmaß der Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten zu berücksichtigen sind. Die Annahme fester Zeiträume kommt daher grundsätzlich nicht in Betracht (BGH, Urt. v. 20.07.2010 - EnZR 23/09, juris Rn. 22; Grüneberg, in: Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 242 Rn. 93 m.w.N.). Schließlich kommt anders als den Verjährungsvorschriften, die unmittelbar der Herstellung von Rechtssicherheit dienen und deren Zeitraum durch das Institut der Verwirkung grundsätzlich nicht weiter abgekürzt werden darf (BGH, Urt. v. 17.02.1969 - II ZR 30/65, juris Rn. 22), der Aufbewahrungspflicht nach § 257 HGB lediglich eine Dokumentations- und Beweissicherungsfunktion (Gros/Böcking, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 257 Rn. 1, beck-online) zu, so dass hieran materiell-rechtliche Wirkungen gegenüber Vertragspartnern nicht unmittelbar geknüpft werden ...

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