Entscheidungsstichwort (Thema)

Diesel-Fälle - Gebrauchtwagen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Senat folgt auch für gebraucht gekaufte Dieselfahrzeuge mit dem von der VW AG entwickelten Motor der Baureihe EA 189 der Rechtsprechung des BGH zur Leistung von Schadensersatz (Urteil v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19).

2. Eine überzeugende dogmatische Klärung und Lösung einzelner (subjektiver) Tatbestandmerkmale des § 826 BGB für diese Fallgruppe ist allerdings noch nicht gefunden:

a) Der VW AG fließt beim Gebrauchtwagenkauf grundsätzlich kein vermögenswerter Vorteil zu.

b) Die Softwaresteuerung diente wohl (auch) der Erhöhung der Haltbarkeit des Motors; die Unterstellung eines Schädigungsvorsatzes erscheint insoweit problematisch.

c) Bei mehrfachem Verkauf eines Fahrzeuges (ohne Abtretung des Ersatzanspruchs des Erstkäufers) kann es zu einer Vervielfachung des geltend gemachten Schadens kommen, was dem geltenden Deliktsrecht fremd ist.

d) Das Verhältnis § 826 BGB zu § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB ist klärungsbedürftig. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden, kann bei Nichtvorliegen eines Eingehungsbetruges dasselbe Verhalten, das im Rahmen von § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB geprüft wurde, nicht zur Begründung eines Ersatzanspruchs aus § 826 BGB herangezogen werden (auch Grundsatz der Spezialität).

3. Der Senat legt für die Berechnung von Nutzungsvorteilen eine Gesamtlaufleistung von 250.000 - 300.000 km zu Grunde.

4. Ob "ungewollte" Verträge neben den Anfechtungsmöglichkeiten in allen Fällen zu Ersatzansprüchen nach §§ 823 ff BGB führen können, ist bislang ungeklärt.

 

Verfahrensgang

LG Mainz (Aktenzeichen 1 O 231/18)

 

Tenor

1) Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 22.08.2019, Az. 1 O 231/18, wird zurückgewiesen.

2) Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mainz vom 22.08.2019, Az. 1 O 231/18, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.416,19 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.01.2019, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Pkws VW Passat 2,0 l mit der Fahrzeugidentifizierungsnummer WVWZZxxxxx, zu zahlen.

Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.025,55 EUR freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3) Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 33% und die Beklagte 67% zu tragen.

4) Dieses Urteil und - soweit es Bestand hat - das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5) Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klagepartei nimmt die Beklagte auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Kauf eines Pkws in Anspruch, in den ein mit Dieselkraftstoff betriebener Motor der von der Beklagten entwickelten Baureihe EA 189 eingebaut ist.

Die Klagepartei hat am 18.08.2014 bei der Firma Automobile K GmbH einen gebrauchten VW Passat 2,0 l (FIN: WVWZZZxxx) mit einer Laufleistung von 49.500 km für 19.980,00 EUR gekauft. Die Beklagte ist die Herstellerin dieses Fahrzeugs, das mit einem 2,0 l Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet ist. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Das Fahrzeug ist erstmals am 21.03.2013 zugelassen worden.

Die Klagepartei hat den Kaufpreis am 20.08.2014 durch Überweisung von 18.000,00 EUR sowie der Inzahlunggabe ihres Altfahrzeugs für 1.980,00 EUR bezahlt. Das Fahrzeug wurde der Klagepartei übergeben und die Klagepartei hat es genutzt.

Die im Zusammenhang mit dem Motor verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx) optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstandes schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5 - Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.

Im September 2015 räumte die Beklagte öffentlich die Verwendung einer entsprechenden Software ein. Am 15.10.2015 erging gegen sie ein rechtskräftiger Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) mit nachträglichen Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung, der auch das Fa...

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