Leitsatz (amtlich)

1. Die Polizei ist berechtigt, eine Person in Gewahrsam zu nehmen, wenn das zum Schutz der Person gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist, insbesondere weil die Person sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet.

2. Stellt eine Fachärztin für Psychiatrie nach Ingewahrsamnahme der Person und von ihr vorgenommener Untersuchung fest, dass durch diese Person weder eine Eigen- noch Fremdgefährdung ausgeht, so ist die weitere Ingewahrsamnahme der Person amtspflichtwidrig.

3. Die Ingewahrsamnahme einer Person über Nacht auf der Polizeidienststelle für die Dauer von ca. 13 Stunden stellt einen weniger gravierenden Eingriff als die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für die Dauer von bis zu 24 Stunden dar. Hierfür ist unter Berücksichtigung der obergerichtlichen Rechtsprechung ein Schmerzensgeld von 400,00 EUR angemessen, aber auch ausreichend (in Anknüpfung an Senatsurteil vom 05.11.2003 - 1 U 611/03 - OLGR Koblenz, juris Rn. 14; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.11.2005 - VersR 2016, 254 ff., juris Rn. 54; LG Marburg, Urteil vom 19.07.1995 - 5 O 33/90 - VersR 1995, 1199).

 

Normenkette

BGB §§ 253, 839; GG Art. 34; GKG Ziff. 1213 der Anlage 1 zum GKG; Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz RPF § 61 Abs. 2; LandesverwaltungsvollstreckungsgesetzRPF § 62 Abs. 1 Nr. 3; Landesverwaltungsvollstreckungsgesetz RPF § 65 Abs. 2, 1; POG RPF § 14 Abs. 1; POG RP § 15 Abs. 1 S. 1, § 34 Abs. 3, § 68; PsychKG RP § 1 Abs. 2, § 11 Abs. 1, § 15 Abs. 1; ZPO §§ 320, 522 Abs. 2 S. 1, Abs. 2, § 531 Abs. 2 Nr. 3, § 540 Abs. 1

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 11. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts T. vom 28. August 2017 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das vorbezeichnete Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist von Beruf Realschullehrerin und ist in einer integrierten Gesamtschule in Z. tätig. Seit Herbst 2014 war sie gehäuft und seit dem 16.03.2015 durchgängig dienstunfähig. Der Klägerin wurde mit Schreiben der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) vom 08.06.2015 eine ärztliche Untersuchung wegen Feststellung der Dienstfähigkeit bei der Zentralen Medizinischen Untersuchungsstelle nach § 47 Landesbeamtengesetz von Rhl.-Pf. angekündigt (Bl. 370 der Personalakte der Klägerin).

Am 26.07.2015 kam es gegen 14.30 Uhr zu einem Polizeieinsatz am Wohnort der Klägerin, ... in T. (Vorgangsnummer ....).

Die Klägerin und ihr Ehemann waren der Polizei aufgrund eines Einsatzes wegen häuslicher Gewalt vom 10.07.2015 (Vorgangsnummer ... und Vorgangsnummer ...) bekannt.

Am Abend des 26.07.2015 ging bei der Polizeiinspektion T. ein Anruf des Nachbarn Edo L. ein. Dieser berichtete, dass die Klägerin ihn attackiere und er Schlimmeres befürchte. Nachdem das Telefonat unterbrochen war, meldete sich der Nachbar Edo L. nochmals bei der Polizeiinspektion T..

Die Polizeibeamten Helmut M. und Dieter P. begaben sich gegen 18.40 Uhr zu der Wohnung der Klägerin und ihres Ehemannes, wo sie von dem Ehemann der Klägerin und den Nachbarn Edo L. erwartet wurden. Die Klägerin war zwischenzeitlich von der Wohnung ihres Nachbarn Edo L. zurückgekehrt und saß laut Polizeibericht in ihrer Wohnung auf dem Sofa. Die Klägerin lehnte einen Alkoholtest ab. Beim Eintreffen der Polizeibeamten schrie die Klägerin los, so dass laut Polizeibericht ein vernünftiges Gespräch mit der Klägerin nicht zu führen war. Auf dem Boden neben der Klägerin befand sich eine halbleere Flasche Pernod.

Die Polizeibeamten Helmut M. und Dieter P. ordneten sodann eine Untersuchung der Klägerin im Klinikum Mutterhaus der Borromäerinnen GmbH in T. an.

Nachdem der verständigte Krankenwagen eingetroffen war, leistete die Klägerin der Anordnung sich in diesen zu begeben, keine Folge, worauf die Polizeibeamten Helmut M. und Dieter P. die Klägerin ergriffen, in den Krankenstuhl setzten und in den Krankenwagen schoben. Während der Fahrt zum Krankenhaus wurde die Klägerin durch den POK P. an beiden Armen festgehalten.

Im Klinikum M. ... GmbH erfolgte eine Untersuchung der Klägerin durch die Ärztin für Psychiatrie, Dr. med. G..

Beim Verlassen des Krankenhauses wurde durch PHK M. angeordnet, die Klägerin in polizeilichen Gewahrsam zu nehmen. Die Klägerin weigerte sich hiergegen. Die Polizeibeamten Helmut M. und Dieter P. hakten sich bei der Klägerin unter und verbrachten sie gegen ihren Willen in das Dienstfahrzeug. Die Klägerin verlor durch das Schleifen dabei ihren Schuh. Die Polizeibeamten M. und P. verbrachten die Klägerin sodann auf ihre Dienststelle. Dort ordnete PHK M. die Untersuchung der Gewahrsamsfähigkeit der Klägerin an. Diese Untersuchung wurde durch den Facharzt für Sozialmedizin Ernst Peter M. durchgeführt, der die Gewahrsamsfähigkeit der Klägerin bejahte. Auf dem Untersuchungsbogen zur Gewahrsamstauglichkeit (Bl. 14 VS Anlagenheft) ist u. a. notiert, dass um 21.00 Uhr bei der Klägerin eine Alkoholkonzentrati...

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