Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollkaskoschutz nach dem Platzen eines Reifens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wenn ein Reifen während der Fahrt durch einen eingedrungenen Fremdkörper platzt, handelt es sich um ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis, mithin um einen Unfall im Sinne der üblichen Bedingungen in der Vollkaskoversicherung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Fremdkörper auf der Fahrbahn liegt und vom Fahrzeug überfahren wird, oder ob sich der Fremdkörper schon vorher im Reifen befand und erst später durch Einwirkungen während der Fahrt das Platzen des Reifens verursacht.

2. Ein Unfall im Sinne der üblichen Bedingungen in der Vollkaskoversicherung liegt hingegen nicht vor, wenn ein schon vorher bestehender Reifenschaden, eine fehlerhafte Montage oder fehlerhafter Luftdruck alleinige Ursache für das Platzen des Reifens während der Fahrt ist.

3. Macht der Versicherungsnehmer nach dem Platzen eines Reifens Leistungen aus der Vollkaskoversicherung geltend, muss er die Voraussetzungen eines Unfalls beweisen. Dazu gehört der Nachweis, dass ein eingedrungener Fremdkörper für das Platzen des Reifens ursächlich war.

 

Normenkette

AVB f. Kraftfahrversicherung (AKB) 2.2.2.2

 

Verfahrensgang

LG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 14 O 122/18)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Freiburg vom 05.11.2018 - 14 O 122/18 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil des Senats und das Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht nach einem Fahrzeugschaden Ansprüche aus einem Versicherungsvertrag gegen die Beklagte geltend.

Der Kläger war Eigentümer eines Pkw Mercedes-Benz E 270. Für dieses Fahrzeug unterhielt der Kläger bei der Beklagten eine Kfz-Versicherung, wobei eine Vollkaskoversicherung mit 300,00 EUR Selbstbeteiligung eingeschlossen war. Vertraglich vereinbart waren die AKB der Beklagten mit Stand 01.10.2014. In Ziffer A 2.3 der Versicherungsbedingungen war zum Vollkaskoschutz Folgendes vereinbart:

Versicherungsschutz besteht bei Beschädigung, Zerstörung, Verlust oder Totalschaden des Fahrzeuges einschließlich seiner mitversicherten Teile durch die nachfolgenden Ereignisse:

Ereignisse der Teilkasko

A.2.3.1 Versichert sind die Schadenereignisse der Teilkasko nach A.2.2.

Unfall

A.2.3.2 Versichert sind Unfälle des Fahrzeuges. Als Unfall gilt ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis.

Nicht als Unfallschäden gelten insbesondere Schäden aufgrund eines Brems- oder Betriebsvorgangs oder reine Bruchschäden. Dazu zählen z. B. Schäden am Fahrzeug durch rutschende Ladung oder durch Abnutzung aufgrund Bedienungsfehler oder Überbeanspruchung des Fahrzeuges und Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug ohne Einwirkung von außen.

Am 11.11.2017 befuhr der Kläger mit seinem Fahrzeug die BAB A 5 in der Nähe von Weil am Rhein. Das Fahrzeug war zu diesem Zeitpunkt mit Winterreifen ausgerüstet. Während der Fahrt auf der Autobahn platzte plötzlich der linke Hinterreifen mit einem lauten Knall. Das Fahrzeug geriet ins Schleudern; es gelang dem Kläger den Pkw auf dem Standstreifen zum Stehen zu bringen. Beim Platzen des linken Hinterreifens hatte sich die linke Seitenwand des Reifens vollständig gelöst; die gelösten Reifenteile beschädigten den Radkasten hinten links, die linke Seitenwand und den hinteren Stoßfänger. Der von der Beklagten beauftragte Schadensgutachter Dipl.-Ing. W. stellte einen Totalschaden fest. Den Wiederbeschaffungswert bezifferte er mit 7.500,00 EUR (vgl. das Gutachten W. nebst Lichtbildern vom Fahrzeug und vom beschädigten Reifen in der Anlage K 3). Der Restwert des beschädigten Fahrzeugs betrug unstreitig 1.500,00 EUR. Der Sachverständige stellte fest, der geplatzte Reifen hinten links sei so zerstört, dass die Ursache für den Reifenschaden nicht ohne Weiteres festgestellt werden könne. Ein Fremdkörper in der Lauffläche sei nicht festzustellen gewesen. Eine genaue Analyse könne nur durch einen speziellen Reifensachverständigen erfolgen.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, die Winterräder seien am selben Tag kurz vor Fahrtantritt in einer Fachwerkstatt montiert worden. Die Winterreifen seien völlig in Ordnung gewesen, was durch Vernehmung von zwei Mitarbeitern der Kfz-Werkstatt, welche die Montage durchgeführt hätten, bestätigt werden könne. Daher stehe fest, dass nur das Überfahren eines für den Kläger nicht erkennbaren Fremdkörpers auf der Straße das Platzen des Reifens verursacht haben könne. Zum Beweis hat der Kläger sich auf die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens berufen, bei dem der noch vorhandene beschädigte Reifen genauer untersucht werden könne. Der Fahrzeugschaden sei mithin durch einen Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen eingetreten, so dass die Beklagte im Rahmen der Vollkaskoversicherung die...

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