Leitsatz (amtlich)

Stand das Pferd zum Zeitpunkt des Unfalls unter der Leitung des geschädigten Reiters, hat dieser zu beweisen, dass sich die Tiergefahr verwirklicht hat. Der Reiter hat deshalb auch den Beweis dafür zu erbringen, dass es nicht seinen Anweisungen gefolgt und „durchgegangen” ist.

 

Normenkette

BGB § 833

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Urteil vom 16.08.2001; Aktenzeichen 7 O 122/01)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 16.8.2001 – 7 O 122/01 – im Kostenausspruch aufgehoben und i.Ü. wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Die Sicherheiten können auch durch schriftliche, selbstschuldnerische und unbefristete Bürgschaft eines in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die am 6.4.1977 geborene Klägerin nimmt die Beklagte wegen eines Reitunfalls auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Beklagte ist Eigentümerin des Pferdes „Weserfürst” und des ggü. diesem Pferd jüngeren und temperamentvolleren Pferdes „Bl.”. Im Juli 1997 vereinbarten die Parteien, die Klägerin, die neun Jahre lang geritten war, solle um nach einer Pause von etwa eineinhalb Jahren wieder in Kontakt mit Pferden zu kommen, das Pferd Bl. zunächst nur pflegend und im Beisein und unter Anleitung der Beklagten longieren und auch reiten sollte, wobei die Parteien u.a. darüber streiten, ob nach einer Test- und Gewöhnungsphase eine entgeltliche Reitbeteiligung der Klägerin erfolgen und die anfängliche Beaufsichtigung durch die Beklagte vorrangig zum Schutz und Wohl der Klägerin (so die Klägerin) oder nur des Pferdes dienen sollte. Nachdem die Klägerin das Pferd mehrmals longiert und am 18.7.1997 und 4.8.1997 geritten hatte, während die Beklagte sie von der Mitte der Reithalle bzw. vom Rand des im Freien gelegenen Reitvierecks (mit den Maßen 60 m × 20 m) aus beobachtet und angeleitet hatte, ritt die Klägerin am 11.8.1997 wieder im Reitviereck auf Bl., ebenso die Beklagte, nachdem sie der Klägerin zunächst zugesehen hatte. Nach 20 bis 30 Minuten geriet die Klägerin vom Pferd, das im Trab herangekommen war und dann zwei bis drei Galoppsprünge gemacht hatte, und fiel auf den Boden, wodurch sie drei Wirbelfrakturen erlitt.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Obwohl sie sich reitgerecht verhalten habe, sei das von ihr gerittene Pferd plötzlich durchgegangen und habe gebuckelt, sodass sie schließlich gestürzt sei. Dabei habe Bl. auf der Längsgeraden beschleunigt und anschließend zwei bis drei Sprünge gemacht, wobei sie den rechten Steigbügel verloren und zunächst weit vornüber gebeugt auf dem Pferd gesessen habe und dann heruntergefallen sei. Sie (Klägerin) habe weder unmittelbar nach ihrem Sturz noch später im Krankenhaus geäußert, sie habe sich vom Pferd fallen lassen.

Die Beklagte hafte wegen Verletzung der zu ihren (der Klägerin) Gunsten übernommene Aufsichtspflicht, jedenfalls aber unter dem Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung.

Die Klägerin, die wegen der erlittenen Verletzungen und – näher dargelegten und bestrittenen – Unfallfolgen ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von 30.000 DM für angemessen hält, hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld zu zahlen nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen materiellen Schaden und weiteren zukünftigen immateriellen Schaden aus dem Reitunfall vom 11.8.1997 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger übergehen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen:

Als die Parteien übereingekommen seien, die Klägerin könne das Pferd Bl. pflegen und ggf. auch reiten, habe die Klägerin erklärt, dies auf eigenes Risiko tun zu wollen.

Am Unfalltag sei sie (Beklagte) in ausreichendem Sicherheitsabstand neben der Klägerin geritten. Dabei sei die Klägerin in etwas schnellerem Trab an ihr vorbeigeritten und habe sinngemäß gerufen: „Vorsicht, er kommt!”. Anschließend habe das Pferd zwei bis drei leichte Galoppsprünge gemacht und danach sei es zum Unfall der Klägerin gekommen, die gleich danach wie auch später im Krankenhaus erklärt habe, sie habe sich vom Pferd fallen lassen. Der Unfall sei allein auf einen Reitfehler der Klägerin zurückzuführen, die vornüber gebeugt auf dem Pferd gesessen habe, was von diesem als Aufforderung zum Galopp zu verstehen gewesen sei. Hätte die Klägerin das Pferd durchpariert und wäre sie aufrecht geritten, wäre der Unfall vermieden worden. Die anfängliche Beaufsichtigung habe allein ihrem Pferd gelten sollen.

Das LG ...

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