Leitsatz (amtlich)

An der positiv festzustellenden Kindeswohldienlichkeit im Sinne von § 1685 Abs. 2 BGB kann es trotz des Bestehens einer tragfähigen Bindung zu der den Umgang begehrenden Bezugsperson fehlen, wenn der leibliche Elternteil den Umgang vehement verweigert und das Kind hierdurch einem solchen Loyalitätskonflikt ausgesetzt ist, dass auch begleitete Umgänge nicht ohne erhebliche Beeinträchtigung des Kindes durchgeführt werden können.

 

Verfahrensgang

AG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 49 F 2793/21)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Freiburg, Az. 49 F 2793/21, vom 28.12.2021 wird zurückgewiesen.

2. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Antragstellerin und die Antragsgegnerin jeweils zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erstattet.

3. Der Verfahrenswert wird auf 4.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das Verfahren betrifft den Umgang der Antragstellerin mit den minderjährigen Kindern der Antragsgegnerin.

Zwischen den Beteiligten bestand eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Sie lernten sich im Juli 2012 kennen und lebten seit Dezember 2013 miteinander. Die Trennung erfolgte im August 2021. Während ihrer Beziehung wurden aufgrund eines gemeinsamen Entschlusses der Beteiligten die Kinder ..., geboren am ..., und ..., geboren am ..., im Wege der künstlichen Befruchtung gezeugt und von der Antragsgegnerin ausgetragenen und geborenen. Eine Stiefkindadoption durch die Antragstellerin ist nicht erfolgt. Eine sorgerechtliche Regelung wurde nicht getroffen.

Ursprünglich war geplant gewesen, dass beide Beteiligte jeweils ein Kind austragen sollten. Nach der Geburt ...s entschieden sie, dass die Antragsgegnerin auch das zweite Kind austragen sollte.

Die Antragstellerin war bei beiden Geburten zugegen und bezog jeweils mit der Antragsgegnerin und dem Neugeborenen ein Familienzimmer in der Klinik. Nach den Geburten beider Kinder nahm sie jeweils einen Monat Elternzeit. Die Versorgung der Kinder, das Wickeln, Anziehen, Baden, Füttern, Spielen und Vorlesen etc. wurde von beiden Beteiligten übernommen. Die Antragstellerin nahm mit den Kindern Arzttermine sowie Termine in Kita und Kindergarten war. Sie übernahm auch ... Eingewöhnung. Beide Kinder begleitete sie ins Kinderturnen. Sie brachte ... das Fahrradfahren bei, unternahm mit den Kindern Ausflüge und nahm Treffen mit Freunden wahr. Morgens wurden die Kinder durch sie versorgt und in die Kita bzw. in den Kindergarten gebracht. Für die Kinder war die Antragstellerin ihre "Mom", die Antragsgegnerin ihre "Mama".

Nach der Trennung blieben die Kinder bei der Antragsgegnerin. Bis zum 09.10.2021 hatte die Antragstellerin Umgangskontakte. Danach lehnte die Antragsgegnerin die Gewährung von Umgang ab.

Die Antragstellerin beantragte beim Amtsgericht Freiburg unter dem 21.10.2021 zunächst, den Umgang im Wege der einstweiligen Anordnung zu regeln. Unter dem 18.11.2021 beantragte sie beim Amtsgericht Freiburg im vorliegenden Verfahren die gerichtliche Anordnung von Umgangskontakten in der Hauptsache. Nachdem sie zunächst einen 14-täglichen Wochenendumgang, einen 14-täglichen Nachmittagsumgang sowie hälftigen Ferienumgang begehrte, erklärte sie sich im Termin vom 22.12.2021 zur Wahrnehmung auch eines minimalen und in Begleitung stattfindenden Umgangs bereit.

Nach persönlicher Anhörung der Kinder, der Antragstellerin, der Antragsgegnerin, der Verfahrensbeiständin sowie der Vertreterin des Jugendamtes hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 28.12.2021 den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen.

Gegen diesen ihr am 03.01.2022 zugestellten Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am selben Tag beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde vom 02.02.2022.

Zur Begründung macht sie geltend, dass zwischen den Kindern und ihr eine sozial-familiäre Bindung bestanden habe. Eine zufällige Begegnung habe zudem ergeben, dass das Vertrauensverhältnis zwischen den Kindern und der Antragstellerin weiterhin vorhanden sei und hieran angeknüpft werden könne.

Die Anordnung des begehrten Umgangs diene auch dem Kindeswohl. Zwischen den Kindern und ihr bestehe eine Bindung, weshalb eine Vermutung dafür spreche, dass deren Aufrechterhaltung der Entwicklung der Kinder förderlich sei, § 1626 Abs. 3 Satz 2 BGB. Der Abbruch ihrer Beziehung zu den Kindern schade ihrem Wohl. Die tiefen Folgen eines Abbruchs seien in die Entscheidung einzubeziehen. Der Empfehlung der Verfahrensbeiständin und des Jugendamtes folgend sei jedenfalls begleiteter Umgang anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Selbst wenn zwischen der Antragstellerin und den Kindern eine sozial-familiäre Beziehung vorhanden sein sollte, fehle es jedenfalls an der Kindeswohldienlichkeit des Umgangs. Zutreffend habe das Amtsgericht festgestellt, dass der zu befürchtende Loyalitätskonflikt der Anordnung von Umgangskontakten entgegenstehe. Die Entwicklung der Kinder habe einen deutlich positiven Verlauf genommen...

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