Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungsschutz in der Teilkaskoversicherung bei einer Überschwemmung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Wasseransammlung auf einer Straße von bis zu 90 cm Tiefe nach einem Starkregen ist eine Überschwemmung im Sinne der üblichen Bedingungen in der Teilkaskoversicherung.

2. Der Versicherungsschutz in der Teilkaskoversicherung greift nicht nur dann ein, wenn eine Überschwemmung ein stehendes oder geparktes Fahrzeug ergreift. Vielmehr besteht Versicherungsschutz auch dann, wenn ein Fahrzeug in einen überschwemmten Bereich der Straße hineinfährt, und dort durch das stehende Wasser beschädigt wird.

3. Eine "unmittelbare Einwirkung" der Überschwemmung auf das Fahrzeug liegt vor, wenn sich das Fahrverhalten des Fahrzeugführers darauf beschränkt, dass er auf der von ihm befahrenen Straße "normal" weiterfährt, und auf diese Weise in den überschwemmten Straßenbereich hineingerät.

4. Ein fahrlässiges Verhalten des Fahrzeugführers, der seine Fahrt trotz der Wasseransammlung in Verkennung der Gefahr fortsetzt, ändert nichts daran, dass der Schaden am Fahrzeug durch eine unmittelbare Einwirkung der Überschwemmung entstanden ist.

 

Normenkette

AKB 2008 A. 2.2.3; AKB 2015 A. 2.2.1

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Aktenzeichen 2 O 183/17)

 

Tenor

Der Senat erwägt eine Zurückweisung der Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 12.01.2018 - 9 U 4/18 -. Die Parteien erhalten vor einer Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.

 

Gründe

I. Die Klägerin war Eigentümerin eines Pkw Mercedes Benz, für welchen sie eine Kraftfahrt-Versicherung bei der Beklagten unterhielt. Nach einem Schadensfall vom 08.06.2016 hat die Klägerin Ansprüche aus einer Teilkasko-Versicherung geltend gemacht.

Der Versicherungsvertrag zwischen den Parteien enthielt u. a. eine Teilkasko-Versicherung mit einer Selbstbeteiligung von 150,00 EUR. Die Parteien nehmen im Rechtsstreit übereinstimmend an, im Versicherungsvertrag sei u. a. eine Geltung der Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung der Beklagten, Stand 01.04.2012, (AKB 2008) vereinbart worden. Zur Fahrzeugteilversicherung (Teilkasko) enthalten die Bedingungen in A.2.2.3 die folgende Regelung:

Sturm, Hagel, Blitzschlag, Überschwemmung

Versichert ist die unmittelbare Einwirkung von Sturm, Hagel, Blitzschlag oder Überschwemmung auf das Fahrzeug. Als Sturm gilt eine wetterbedingte Luftbewegung von mindestens Windstärke 8. Eingeschlossen sind Schäden, die dadurch verursacht werden, dass durch diese Naturgewalten Gegenstände auf oder gegen das Fahrzeug geworfen werden. Ausgeschlossen sind Schäden, die auf ein durch diese Naturgewalten veranlasstes Verhalten des Fahrers zurückzuführen sind.

Am 08.06.2016 befuhr der Ehemann der Klägerin, der Zeuge H. G., mit dem versicherten Fahrzeug den B.ring in V.. Es regnete sehr stark. Der Zeuge fuhr in eine Wasseransammlung, die sich auf der Straße durch den Starkregen gebildet hatte. Er ging davon aus, dass er diese Wasseransammlung wie eine normale Pfütze durchfahren konnte. Die Wasseransammlung hatte zu diesem Zeitpunkt eine Höhe von 10 - 15 cm erreicht. Aufgrund eines sogenannten Wasserschlags ging der Motor während des Durchfahrens der Wassersammlung aus. Das Fahrzeug ließ sich nicht mehr starten und blieb stehen. Die Wasseransammlung auf der Straße erreichte durch den Starkregen binnen kurzer Zeit eine Höhe von 90 cm. Es drang Wasser in das Fahrzeug ein. Dieses erlitt unstreitig einen Totalschaden.

Die Klägerin hat erstinstanzlich von der Beklagten die Zahlung der vertraglich vereinbarten Entschädigung verlangt. Die Voraussetzungen für einen Versicherungsfall aus der Fahrzeugteilversicherung seien gegeben. Die Beklagte ist entgegengetreten. Die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin aus dem Versicherungsvertrag seien nicht gegeben. Zwar sei das Fahrzeug der Klägerin durch eine Überschwemmung beschädigt worden. Der Schaden beruhe jedoch nicht auf einer "unmittelbaren Einwirkung" im Sinne der Versicherungsbedingungen auf das Fahrzeug.

Das Landgericht hat zu dem Vorfall vom 08.06.2016 den Ehemann der Klägerin als Zeugen vernommen. Mit Urteil vom 12.01.2018 hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß wie folgt verurteilt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.695,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.07.2016 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin freizustellen von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten für die Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 571,43 EUR.

Das Landgericht hat ausgeführt, die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerin aus dem Versicherungsvertrag seien gegeben. Das Fahrzeug der Klägerin sei durch eine Überschwemmung beschädigt worden. Es liege eine "unmittelbare Einwirkung" der Naturgewalt Überschwemmung im Sinne von A.2.2.3 AKB 2008 vor. Denn ein durch die Naturgewalt verursachtes Verhalten des Fahrers (A.2.2.3 Satz 3 AKB 2008) habe bei der Entstehung des Schadens keine Ro...

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