Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Widerspruchsbelehrung, welche für den Beginn der Widerspruchsfrist auf den Zugang des Policenbegleitschreibens abstellt; kein Entreicherungseinwand des Versicherers wegen der Abschluss- und Verwaltungskosten
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Widerspruchsbelehrung, in der es heißt:
"Sie können diesem Versicherungsvertrag innerhalb von 14 Tagen nach Zugang dieses Schreibens widersprechen."
ist auch dann unwirksam, wenn dem Versicherungsnehmer tatsächlich zugleich Versicherungsschein, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen zugegangen sind, aber für den Versicherungsnehmer nicht deutlich wird, dass es für den Fristbeginn auch darauf ankommt. Denn es kann bei einer solchen Belehrung bereits nicht davon ausgegangen werden, dass einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer während des gesamten Laufs der Widerspruchsfrist durchweg bewusst ist, welche Unterlagen er wann und mit welchem Schreiben vom Versicherer erhalten hat.
2. Nach wirksamem Widerspruch gem. § 5a VVG a.F. kann sich der Versicherer wegen der Abschluss- und Verwaltungskosten nicht mit Erfolg auf Entreicherung berufen.
Normenkette
VVG a.F. § 5a
Verfahrensgang
LG Bochum (Urteil vom 24.01.2014) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 24.1.2014 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Bochum teilweise abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.320,86 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 8.10.2010 zu zahlen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 41 % und die Beklagte 59 %.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger begehrt mit seiner Klage Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge nebst Nutzungszinsen aus einer im Jahre 2003 bei der Beklagten genommenen Kapitallebensversicherung nach einem mit anwaltlichem Schreiben vom 23.9.2010 erklärten Widerspruch.
Der Kläger beantragte am 12.8.2003 bei der Beklagten den Abschluss einer Kapitallebensversicherung. Das Antragsformular der Beklagten (Anlage B1) enthielt hierbei oberhalb der Unterschriftszeile neben weiteren unterlegten Textpassagen folgenden Hinweis:
"Ich kann dem beantragten Versicherungsvertrag innerhalb von 14 Tagen nach Aushändigung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation in Textform widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs."
Die Beklagte policierte am 9.9.2003 mit Versicherungsbeginn 1.8.2003. Versichert waren für den Erlebensfall die Zahlung einer garantierten Erlebensfallsumme i.H.v. 316.344 EUR sowie als Todesfallleistungen bei Versterben des Klägers die Auszahlung einer garantierten Todesfallsumme i.H.v. 172.800 EUR. Die monatliche Prämie betrug zunächst 800 EUR. Vereinbart waren eine jährliche Dynamik von 10,0 % sowie eine 30-jährige Beitragszahlung bis zum 1.7.2033. Der Kläger erhielt mit dem Versicherungsschein vom 9.9.2003 einen die Verbraucherinformationen und Versicherungsbedingungen enthaltenden Hefter "Das Kleingedruckte mal ganz groß (SWD/2/1001/I/08/01)", wobei die darin enthaltenen Verbraucherinformationen auf Seite 4 unter der Überschrift "Können Sie vom Versicherungsvertrag zurücktreten?" auszugsweise wie folgt lauten (GA I 24R):
"Durch unsere Annahme Ihres Antrags kommt der Versicherungsvertrag zum Abschluss. Anschließend können Sie innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Überlassung der Verbraucherinformationen und der Versicherungsbedingungen dem Abschluss des Versicherungsvertrages widersprechen.
Die Frist ist eingehalten, wenn Sie die Widerspruchserklärung innerhalb der genannten Zeit absenden, auch wenn sie uns erst nach Ablauf der Frist zugehen sollte.
Voraussetzung für die Bindung an die Frist ist, dass wir Ihnen die Verbraucherinformationen und die Versicherungsbedingungen ausgehändigt sowie Sie über Ihr Widerspruchsrecht belehrt und Sie dies mit Ihrer Unterschrift bestätigt haben.
Sollten Ihnen die Verbraucherinformationen und die Versicherungsbedingungen nicht ausgehändigt oder Sie von uns nicht entsprechend belehrt worden sein, besteht Ihr Widerspruchsrecht ohne Bindung an die 14tägige Frist; es erlischt dann ein Jahr nach Zahlung des Einlösungsbeitrags."
Übersandt wurden der Versicherungsschein und der Hefter mit einem zweiseitigen Policenbegleitschreiben vom 9.9.2003 (Anlage B2), auf dessen Seite 2 es u.a. in Fettdruck heißt:
"Sie können diesem Versicherungsvertrag innerhalb von 14 Tagen nach Zugang dieses Schreibens widersprechen. Zur Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung einer Widerspruchserklärung in Textform (schriftlich oder in anderer lesbarer Form). Selbstverständlich werden wir Ihnen in diesem Falle bereits gezahlte Beiträge zurückerstatten."
Das Schreiben enthält auf Seite 1 weitere in Fettdruck gehaltene Textpassagen zur Modellrechnung und zum Abbuchungskonto für fällige Versicherungsbeiträge im Rahmen des vom Kläger erteilten Lastschrif...