Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsunfähigkeitsversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die rückwirkende Befristung eines Anerkenntnisses des Berufsunfähigkeitsversicherers ist nach gefestigter Rechtsprechung grundsätzlich unwirksam. Die entsprechende Erklärung des Versicherers ist darauf zu prüfen, ob - uno actu -eine wirksame Einstellungsmitteilung wegen Wegfalls der Berufsunfähigkeit vorliegt. Dafür gelten freilich die von der Rechtsprechung für die Einstellungsmitteilung entwickelten Anforderungen (nachvollziehbare Vergleichsbetrachtung).

2. Zu Verjährungsfragen nach einem befristeten Anerkenntnis (unter A 6).

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 17.11.2022 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld teilweise abgeändert.

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.000,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von jeweils 1.022,58 EUR seit dem 01.07.2015, dem 01.08.2015, dem 01.09.2015, dem 01.10.2015, dem 01.11.2015, dem 01.12.2015, dem 01.01.2016, dem 01.02.2016, dem 01.03.2016, dem 01.04.2016, dem 01.05.2016 und dem 01.06.2016 sowie aus einem Betrag von 729,84 EUR seit dem 23.09.2016 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin ab dem 1. Juli 2016 aus der Berufsunfähigkeitsversicherung mit der Versicherungsnummer N01 im Voraus eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.022,58 EUR, längstens bis zum 31. Oktober 2027, zu zahlen.

3. Es wird festgestellt, dass die Klägerin ab Juli 2016 von der Pflicht zur Zahlung von Beiträgen zu der Berufsunfähigkeitsversicherung mit der Versicherungsnummer N01, längstens bis zum 31. Oktober 2027, befreit ist.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt der Beklagte.

Die Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Leistungen aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung für den Zeitraum ab Juli 2015.

Diese sieht für den Fall der Berufsunfähigkeit die Zahlung einer monatlich im Voraus zu zahlenden Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.022,58 monatlich sowie Beitragsbefreiung (Beitrag monatlich: 60,82 EUR) bis zum 31.10.2027 vor.

Der Versicherungsfall besteht nach § 1 (1) der "Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Berufsunfähigkeits-Versicherung mit erweiterten Leistungen (Golden BU)" (im Folgenden: AVBBBU) in einer Berufsunfähigkeit zu mindestens 50%.

§2 AVBBBU lautet auszugsweise wie folgt:

1. Vollständige Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen außerstande ist, bzw. sechs Monate außerstande war, ihren zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben. Wir erbringen in diesem Fall unsere Leistungen bereits ab Beginn dieses sechsmonatigen Zeitraumes...

2. Teilweise Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die in Absatz 1 genannten Voraussetzungen nur in einem bestimmten Grad voraussichtlich sechs Monate ununterbrochen erfüllt sind.

3. Berufsunfähigkeit liegt nicht vor, wenn die versicherte Person nach Eintritt des Versicherungsfalls eine andere, ihrer Ausbildung und Erfahrung und ihrer bisherigen Lebensstellung entsprechende berufliche Tätigkeit ausübt oder nach zumutbarer Umorganisation des Betriebes, der Praxis oder ähnliches ausüben könnte.

§ 12 AVBBBU ("Wann geben wir eine Erklärung über unsere Leistungspflicht ab?) lautet auszugsweise wie folgt:

1. Nach Prüfung der uns eingereichten sowie der von uns beigezogenen Unterlagen erklären wir, ob und für welchen Zeitraum wir eine Leistungspflicht anerkennen.

2. Wir können zeitlich begrenzte Anerkenntnisse unter einstweiliger Zurückstellung der Frage aussprechen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit im Sinne von § 2 ausüben kann.

§ 14 AVBBBU ("Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?) lautet auszugsweise wie folgt:

1. Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad oder die Pflegestufe und das Fortleben der versicherten Person nachzuprüfen; dies gilt auch für zeitlich begrenzte Anerkenntnisse nach § 12. Dabei können wir erneut prüfen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit im Sinne von § 2 ausübt, wobei neu erworbene berufliche Ausbildungen und Erfahrungen zu berücksichtigen sind.

...

4. Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich ihr Grad auf weniger als 50% vermindert, stellen wir unsere Leistungen ein. Die Einstellung teilen wir dem Anspruchsberechtigten unter Hinweis auf seine Re...

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