Tenor

Die förmliche Auslieferungshaft wird gegen den Verfolgten - unter Zurückweisung seiner dagegen erhobenen Einwendungen - angeordnet.

 

Gründe

I.

Die türkischen Behörden haben den Verfolgten über Interpol zur Festnahme zum Zwecke der Auslieferung zur Strafverfolgung wegen Totschlags u.a. ausgeschrieben. Der Ausschreibung liegt der Haftbefehls des C 1. High Criminal Court vom 03.06.2020 (Aktenzeichen: 2019/145) zugrunde.

Dem Verfolgten wird Folgendes zur Last gelegt:

Der Verfolgte soll am 09.09.2009 in C zunächst einen Streit mit D und D2 über den Anbau von Tomaten auf ihrem gemeinsamen Feld gehabt haben. Aufgrund der Auseinandersetzung soll D aus Verärgerung die Setzlinge auf dem Feld beschädigt haben. Der Verfolgte soll nach dieser Auseinandersetzung nach Hause zurückgekehrt sein und dort eine weitere zunächst verbale Auseinandersetzung mit seinem Vater D2, seinem Bruder D3 und seiner Mutter D4 wegen der vorangegangenen Beschädigung der Setzlinge durch D gehabt haben. Im Laufe dieser Auseinandersetzung soll der Verfolgte sein Gewehr genommen und das Feuer eröffnet haben, wobei er die auf dem Balkon stehende D4 getroffen haben soll, so dass diese später im Krankenhaus an ihren Verletzungen gestorben sein soll. D2 und D3 sollen keine Verletzungen davongetragen haben, da sie rechtszeitig weggelaufen sein sollen.

Der Verfolgte ist am 18.11.2020 in F festgenommen worden.

Im Rahmen seiner richterlichen Anhörung vor dem Amtsgericht Essen am 19.11.2020 hat der Verfolgte im Wesentlichen folgende Angaben gemacht:

Er sei türkischer Staatsangehöriger und lebe mit seinen sieben Kindern, die zwischen 14 und 30 Jahren alt seien, in F. Er arbeite auf einer Baustelle. Er habe vor elf Jahren in Italien politisches Asyl beantragt, welches ihm gewährt worden sei. Dies sei auch auf seinem Ausweis vermerkt.

Zum Tatvorwurf hat der Verfolgte keine Angaben gemacht. Auf den Grundsatz der Spezialität hat er nicht verzichtet. Mit seiner vereinfachten Auslieferung hat der Verfolgte sich nicht einverstanden erklärt.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Schreiben vom 19.11.2020 die Ausländerbehörde der Stadt F um Mitteilung gebeten, ob dort Erkenntnisse zu der Länge des Aufenthaltes des Verfolgten in Deutschland, seinen persönlichen und beruflichen Bindungen und dazu vorliegen, die eine politische Verfolgung des Verfolgten in der Türkei nahelegen könnten. Ebenso ist um Mitteilung gebeten worden, ob Erkenntnisse zu einem italienischen Asylverfahren vorliegen. Mit Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft vom 11.12.2020 ist die Ausländerbehörde an die Beantwortung der Anfrage erinnert worden.

Der Senat hat mit Beschluss vom 24.11.2020 gegen den Verfolgten die vorläufige Auslieferungshaft angeordnet.

Dieser vorläufige Auslieferungshaftbefehl ist dem Verfolgten am 14.12.2020 bei dem Amtsgericht Hamm bekannt gegeben worden.

Hierbei hat der Verfolgte zu seinen persönlichen Verhältnissen ergänzend ausgeführt, dass er einen italienischen Asylpass habe, welcher bis 2030 gültig sei. Dieser Pass befinde sich bei seinem Rechtsanwalt. Auch ansonsten seien alle Informationen bei seinem Anwalt. Er sei in der Türkei schon zweimal politisch verfolgt worden. Man habe ihn bewusst in eine solche Situation gebracht.

Der Verfolgte hat mit Schriftsatz seines Beistandes, Professor Dr. T, vom 09.12.2020 die Aufhebung des Haftbefehls beantragt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass er die ihm vorgeworfene Tat der Tötung seiner Mutter bestreite. Die Strafverfolgung habe zudem maßgeblich politische Implikationen. Er werde von den türkischen Behörden als PKK Kämpfer angesehen und deswegen verfolgt. Er habe deshalb auch in Italien um politisches Asyl gebeten. Dies sei ihm gewährt worden und der ihm in Italien erteilte Flüchtlingspass habe bis zum Juni 2030 Gültigkeit. Dieser Pass könne vorgelegt werden. In Italien sei es ihm über viele Jahre geglückt, durch ein eigenes Arbeitseinkommen das wirtschaftliche Überleben seiner Familie zu sichern. Nachdem dies in Italien aufgrund einer wirtschaftlichen Krise schwieriger geworden sei, sei er nach Deutschland gekommen. In Deutschland sei er mittlerweile seit mehr als zwei Jahren und habe auch hier eine feste Arbeitsstelle. Sein mittlerweile jüngstes 14-jähriges Kind wohne noch bei ihnen und gehe auf eine deutsche Schule. Er werde sich dem Verfahren, welches sicher aufgrund der Aufklärung hinsichtlich der politischen Hintergründe erhebliche Zeit in Anspruch nehmen werde, nicht entziehen, da ihm keine ernsthafte Fluchtmöglichkeit zur Verfügung stehe.

Diese Einwendungen hat der Senat mit Beschluss vom 15.12.2020 zurückgewiesen.

Die Auslieferungsunterlagen sind mit Verbalnote der Botschaft der Republik Türkei vom 17.12.2020 dem Auswärtigen Amt vorab elektronisch übermittelt und dort ausgedruckt worden und sodann an das Bundesamt für Justiz per E-Mail weitergeleitet worden, wo sie am 18.12.2020 eingegangen sind. Das Rechtshilfeersuchen enthält unter anderem die Zusicherung, dass es sich bei der dem Verfolgten zur Last gelegte...

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