Entscheidungsstichwort (Thema)

Erpressung. Beweismittel. Kauf. Begünstigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die gegenüber Beamten der Staatsanwaltschaft ausgesprochene Drohung, Beweismittel im Falle der Nichtzahlung eines hierfür geforderten "Kaufpreises" nicht an die Staatsanwaltschaft herauszugeben, stellt regelmäßig keine Drohung mit einem "empfindlichen" Übel im Sinne des § 253 Abs. 1 StGB dar. Der Staat ist damit durch eine solche Drohung nicht "erpressbar".

2. Die Mithilfe beim "Verkauf" der Tatbeute an den Geschädigten oder eine in dessen Lager stehende Person oder Einrichtung ist eine Hilfeleistung für den Vortäter im Sinne des § 257 Abs. 1 StGB (Anschluss an OLG Düsseldorf, NJW 1979, 2320).

 

Normenkette

StGB §§ 253, 257

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 6 Ns 80/12)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die

Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft verhängte das Amtsgericht gegen den Angeklagten mit Strafbefehl vom 6. September 2011 wegen Beihilfe zur versuchten Erpressung eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10 €. Nachdem der Angeklagte hiergegen Einspruch eingelegt hatte, sprach ihn das Amtsgericht am 16. Mai 2012 frei. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft verwarf das Landgericht am 9. Januar 2013 als unbegründet und traf hierbei folgende Feststellungen:

"Der frühere Rechtsanwalt T aus C4 hatte im Frühsommer 2008 in dem Gebäude H-Straße in C2 Räumlichkeiten angemietet, um hier eine Zweigstelle seiner Rechtsanwaltskanzlei einzurichten. In denselben Räumlichkeiten untergebracht war auch das Büro der Firma ,T2 Transporte', deren Inhaber der Zeuge T2 war. Die Firma wurde umfirmiert in ,U GmbH & Co. KG'; der Zeuge T2 wurde als Prokurist eingesetzt, leitete de facto die Firma aber.

Im Oktober/November 2008 ließ der damalige Rechtsanwalt T von der Ehefrau des Zeugen T2 sowie einer Kanzleimitarbeiterin 88 Stehordner von C4 in die Büroräume in C2 bringen und diese dort in einem abgeschlossenen Büroraum aufbewahren. Es handelte sich hierbei um Geschäftsunterlagen der Gesellschaft ,W GmbH & Co. KG'. Der Zeuge T2, welcher von dem Vorgang wusste, machte sich zunächst keine Gedanken darüber, welchen Inhalt diese Ordner haben. Er merkte jedoch, dass Rechtsanwalt T großes Interesse daran hatte, dass diese Ordner sicher aufbewahrt und dem Zugriff der Ermittlungsbehörden entzogen werden.

In der Folgezeit zerbrach das bis dahin gute Verhältnis zwischen dem Zeugen T2 und Rechtsanwalt T. Insbesondere kam es zu Streitigkeiten über Geld. So konnte Rechtsanwalt T die Miete für die Räumlichkeiten in der H-Straße in C2 nicht mehr bezahlen. Die Vermieterin drohte gegenüber dem Zeugen T2 mit Zwangsräumung und kündigte an, das Inventar des T im Wege ihres Vermieterpfandrechts in Verwahrung zu nehmen. Der Zeuge T2 brachte daher die gesamten 88 Ordner an einen unbekannten Ort, weil er sie als Sicherheit für vermeintliche Forderungen gegen Rechtsanwalt T haben wollte. In der Folgezeit beschäftigte er sich mit dem Inhalt der Aktenordner. Er nahm jeweils eine gewisse Anzahl der Ordner mit nach Hause und arbeitete diese dort durch. Im Zusammenhang mit Internetrecherchen stellte er fest, dass die Ordner umfangreiche Unterlagen über die Einfuhr von Klärschlämmen, Abfallgemischen, welche mit giftigen perfluorierten Tensiden (PFT) verunreinigt waren und die sodann als Düngemittel deklariert auf Ackerflächen in den Kreisen Soest und Hochsauerland aufgebracht wurden, enthielten. Aus der Medienberichterstattung wurde deutlich, dass diese Klärschlämme als Düngemittel für landwirtschaftlich genutzte Flächen vertrieben wurden von zwei Firmen namens ,I GmbH' und ,W GmbH & Co. KG'. Die auf den Ackerflächen aufgebrachten Klärschlämme gelangten in den für die Trinkwassergewinnung genutzten Fluss Möhne, was schließlich dazu führte, dass im Hochsauerlandkreis und im Kreis Soest die dort lebenden Menschen eine erhöhte Konzentration von PFT im Blut aufwiesen. Dem Zeugen T2 war aufgrund der entsprechenden Medienberichterstattung klar, dass es wegen dieses Sachverhalts ein umfangreiches Ermittlungsverfahren gab. Dieses Verfahren, welches ursprünglich bei der Staatsanwaltschaft Arnsberg anhängig war und an die Staatsanwaltschaft Paderborn abgegeben wurde, wurde schließlich von der Staatsanwaltschaft Bielefeld als sogenannte ,Schwerpunktstaatsanwaltschaft' bearbeitet.

Der Zeuge T2 versuchte zunächst, die Ordner gegenüber dem ehemaligen Rechtsanwalt T als Druckmittel für die Auszahlung erheblicher Geldbeträge (80.000 - 100.000 Euro), die ihm seiner Meinung nach gegenüber dem T zustanden, zu benutzen. Dies erwies sich jedoch als fruchtlos.

Wie bereits ausgeführt, nahm der Zeuge T2 regelmäßig mehrere Ordner der ,W' mit nach Hause, um diese durchzuarbeiten Anlässlich einer in anderem Zusammenhang stattfindenden Hausdurchsuchung bei dem Zeugen T...

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