Entscheidungsstichwort (Thema)

Scheidung marokkanischer Ehegatten nach deutschem Recht

 

Normenkette

EGBGB Art. 17 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1; marokk. CSP Art. 98, 107

 

Verfahrensgang

AG Paderborn (Urteil vom 23.03.2010; Aktenzeichen 85 F 175/09)

 

Tenor

Die Berufung des Antragsgegners gegen das Urteil des AG Fami-liengericht Paderborn vom 23.3.2010 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 2.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind marokkanische Staatsangehörige. Sie haben am ...1997 in Marokko die Ehe geschlossen. Sie haben mehrere gemeinsame Kinder.

Für die Antragstellerin ist eine Betreuung eingerichtet worden, die sich auf Vermögensangelegenheiten und die Vertretung bei Behörden und Ämtern erstreckt. Ein Einwilligungsvorbehalt wurde nicht angeordnet. Auch für den Antragsgegner ist eine Betreuung eingerichtet worden, und zwar für die Aufgabenbereiche der Gesundheitsfürsorge, Wohnungsangelegenheiten, Vermögensangelegenheiten, Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden, Entgegennahme und Öffnen der Post im Rahmen der Aufgabenkreise und beruflichen Angelegenheiten. Für den Bereich Vermögensangelegenheiten wurde ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet.

Aufgrund einer drohenden Gefahr für das Wohl der Kinder wurden diese im Jahr 2008 in Obhut genommen und fremduntergebracht. In der Folgezeit wurde den Kindeseltern die elterliche Sorge durch eine einstweilige Anordnung entzogen, welche später auf die Antragstellerin mit Ausnahme u.a. des Aufenthaltsbestimmungsrechts zurückübertragen wurde. Im September 2008 begab sich die Antragstellerin gemeinsam mit zwei ihrer Kinder in eine betreute Mutter-Kind-Einrichtung und verließ aus diesem Grunde die eheliche Wohnung. Seitdem besteht keine häusliche Gemeinschaft zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner mehr.

Die Antragstellerin hat mit einer den Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners am 28.5.2009 zugestellten Antragsschrift Scheidungsklage erhoben. In der Einleitung der Antragsschrift sind die Betreuerin der Antragstellerin als ihre Vertreterin und die Betreuerin des Antragsgegners als dessen Vertreterin aufgeführt. Die eingereichte Prozessvollmacht ist indes von der Antragstellerin selbst unterzeichnet worden. Die Antragstellerin hat geltend gemacht, dass ihre Ehe sowohl nach marokkanischem als auch nach deutschem Recht zu scheiden sei. Ihr sei aufgrund der gesundheitlichen Erkrankungen des Antragsgegners die Fortsetzung der Ehe nicht mehr zuzumuten. Dies gelte insbesondere auch im Interesse der gemeinschaftlichen minderjährigen fünf Kinder.

Es sei aber deutsches Recht anwendbar, da nach marokkanischem Ehescheidungsrecht nur der Ehemann, nicht aber die Ehefrau die Ehe durch Verstoßung (talaq) auflösen könne und dies gegen den Gleichberechtigungsgrundsatz verstoße.

Die Antragstellerin hat beantragt, die Ehe der Parteien zu scheiden.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Scheidungsantrag zurückzuweisen.

Er hat der Scheidung widersprochen und geltend gemacht, dass er bereits aus religiösen Gründen nicht geschieden werden möge. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für eine Scheidung weder nach marokkanischem noch nach deutschem Recht vor. Schließlich würde die Scheidung der Ehe eine unbillige Härte darstellen, da seine Gesundheit ansonsten ernsthaft gefährdet sei.

Das AG hat die Parteien im Termin zur mündlichen Verhandlung persönlich angehört. Die Antragstellerin hat anlässlich dieser Anhörung erklärt, dass sie geschieden werden möchte und keine Chance mehr sehe, gemeinsam mit den Kindern mit dem Antragsgegner zusammenzuleben.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das AG die Ehe der Parteien antragsgemäß geschieden. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass auf die Ehescheidung deutsches materielles Recht anzuwenden sei. Das im marokkanischen Recht vorgesehene Recht des Ehemannes, die Ehe durch Verstoßung der Ehefrau aufzulösen, verstoße gegen den Gleichberechtigungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 2 GG, da dieses Recht der Ehefrau nicht zustehe. Es liege somit ein Verstoß gegen den ordre public vor. Die Ehe sei demnach zu scheiden, da die Voraussetzungen nach deutschem Scheidungsrecht vorlägen. Die Parteien lebten bereits seit mehr als einem Jahr getrennt. Die eheliche Lebensgemeinschaft bestehe daher nicht mehr und es sei auch nicht zu erwarten, dass sie wiederhergestellt werde. Auch der Antragsgegner habe keine Tatsachen vorgetragen, die erkennen ließen, dass die eheliche Lebensgemeinschaft wiederhergestellt werden könne.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Antragsgegner mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Er möchte nach wie vor nicht geschieden werden und rügt, dass das AG zu Unrecht von der Anwendbarkeit deutschen Rechts ausgegangen sei. Bei der gebotenen engen Auslegung des Art. 6 EGBGB sei zu berücksichtigen, dass auch der Ehefrau nach marokkanischem Recht ein Recht zur Scheidung zustehe, wenn ein im Art. 98 des marokkanischen Familiengesetzbuches a...

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