Entscheidungsstichwort (Thema)

Sicherungsverwahrungsvollzug: Vermittlung von Telefongesprächen durch die Einrichtung. unüberwachte Telefongespräche mit dem Verteidiger.

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für Sicherungsverwahrte besteht keine Pflicht zur Teilnahme an einem nach § 26 Abs. 3 SVVollzG eingerichteten Telefonkontensystem; ihnen bleibt in jedem Fall der Anspruch auf Vermittlung von Telefongesprächen durch die Einrichtung gemäß § 26 Abs. 1 SVVollzG NW (Festhaltung an Senat, Beschluss vom 16.09.2014 - III-1 Vollz(Ws) 446/14 -, juris).

2. Ein Sicherungsverwahrter hat nach §§ 26, 28 Abs. 5, Abs. 2 S. 1 SVVollzG Anspruch auf von der Vollzugsbehörde vermittelten, unüberwachten Kontakt zu seinem Verteidiger; der Begriff des Verteidigers umfasst hierbei auch die Vertretung in Strafvollzugssachen. Dem widerspricht es, wenn der Betroffene auf die Nutzung eines Telefonkontensystems und Telefonate in Anwesenheit eines Beamten verwiesen wird.

 

Normenkette

SVVollzG NRW § 26 Abs. 1, 3, § 28 Abs. 2 S. 1, Abs. 5

 

Verfahrensgang

LG Arnsberg (Aktenzeichen IV 2 StVK 6/17)

 

Tenor

Die Leiterin der Justizvollzugsanstalt X wird unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses verpflichtet, dem Betroffenen ungestörte und unüberwachte Telefonate mit seinem Verteidiger zu vermitteln.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.

 

Gründe

I.

Der Betroffene ist in der Sicherungsverwahrung der JVA X untergebracht. Mit Schreiben vom 14.12.2016 beantragte er bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg, die Leiterin der JVA X zu verpflichten, ihm ungestörte und unüberwachte Telefonate mit seinem Rechtsbeistand zu ermöglichen, und vorab eine entsprechende einstweilige Anordnung zu treffen.

Die Strafvollstreckungskammer hat beides mit Beschluss vom 03.05.2018 abgelehnt. Der Betroffene könne den Anschluss auf seinem Zimmer aktivieren lassen, die durch die Formalitäten zur Aktivierung veranlasste zeitliche Verzögerung sei ihm zumutbar, zumal er in der Zwischenzeit aus den Abteilungsbüros - wenn auch in Anwesenheit eines Vollzugsbeamten - telefonieren könne; dass er sich die monatlichen Kosten von 15,00 EUR für die Teilnahme am Telefonkontensystem nicht leisten könne, sei nicht ersichtlich. Auch die bloße technische Möglichkeit der Überwachung dieses Anschlusses stehe dessen Inanspruchnahme nicht entgegen, denn dass Verteidigertelefonate tatsächlich abgehört würden, lasse sich nicht feststellen.

Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 12.06.2018, mit der er neben der Sachrüge beanstandet, die Strafvollstreckungskammer sei ihrer Aufklärungspflicht nicht nachgekommen.

Das Ministerium der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen hält die Rechtsbeschwerde mangels Zulassungsgrundes für unzulässig.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen war zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, § 116 Abs. 1 StVollzG. Dabei kann dahinstehen, ob bereits die Abweichung der angefochtenen Entscheidung von dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 03.12.2013, - 2 BvR 2299/13 -, und dem daraufhin ergangenen Beschluss des Landgerichts Aachen vom 20.01.2014, - 33i StVK 703/13 -, mit dem die JVA Aachen zur Ermöglichung unüberwachter Telefonate mit dem Verteidiger verpflichtet wurde, eine einheitliche Rechtsanwendung im Zuständigkeitsbereich des Senats gefährdet oder ob diese Abweichung auf Unterschieden in den örtlichen Verhältnissen der Justizvollzugsanstalten Aachen und X beruht.

Denn die angefochtene Entscheidung setzt sich jedenfalls in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Senats zu § 26 SVVollzG NRW. Der Senat hat mit Beschluss vom 16.09.2014 - III-1 Vollz(Ws) 446/14 - entschieden, dass für die Sicherungsverwahrten keine Pflicht zur Teilnahme an einem nach § 26 Abs. 3 SVVollzG eingerichteten Telefonkontensystem besteht, und dazu weiter ausgeführt:

"Nimmt der Sicherungsverwahrte nicht am Telefonkontensystem teil, bleibt ihm nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes in jedem Fall der Anspruch auf Vermittlung von Telefongesprächen durch die Einrichtung gemäß § 26 Abs. 1 SVVollzG NW. Zum Inhalt und Umfang dieses Anspruchs, der vorliegend keiner näheren Erörterung bedarf, wird auf die Entscheidung des Senats vom 1. April 2014 - OLG Hamm, III-1 Vollz(Ws) 93/14, juris - Bezug genommen."

An dieser Auffassung hält der Senat nach erneuter Beratung fest. Dass die Strafvollstreckungskammer es zudem für hinnehmbar erachtet, dass der Betroffene nach der Bewilligungspraxis der JVA X Telefongespräche mit seinem Verteidiger aus den Abteilungsbüros nur in Anwesenheit eines Vollzugsbeamten soll führen können, findet im Gesetz keine Stütze. Nach § 28 Abs. 5, Abs. 2 S. 1 StVollzG werden Telefonate mit Verteidigern nicht überwacht. Ein Ermessen ist der Behörde nicht eingeräumt. Es liegt auf der Hand, dass ein im selben Raum anwesender Vollzugsbeamter sich der Wahrnehmung zumindest von Teilen eines unter seiner Aufsicht geführten Telefonats kaum entziehen könnte u...

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