Entscheidungsstichwort (Thema)

Entfernen vom Unfallort als Verletzung der Aufklärungspflicht nach § 6 Abs. 3 KfZPflVV

 

Normenkette

KfzPflVV § 6 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 01.12.2016; Aktenzeichen 2-24 O 82/16)

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 1.12.2016 - 2/24 O 82/16 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die klagende Haftpflichtversicherung nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Beklagte verursachte mit einem bei der Klägerin haftpflichtversicherten Pkw einen Verkehrsunfall. Er war nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis. Obwohl er den Unfall bemerkt hatte, verließ er zu Fuß die Unfallstelle. Der Beklagte wurde deshalb vom Amtsgericht Stadt1 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und unerlaubten Entfernens vom Unfallort verurteilt.

Die Klägerin musste den Geschädigten die durch den Unfall entstandenen Schäden ersetzen, insgesamt 9.193,41 EUR. Sie nimmt deshalb den Beklagten wegen dieses Betrages nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten in Regress.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Klägerin stehe ein Regressanspruch nur in Höhe von 5.000,00 EUR zu.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass die Klägerin einen Anspruch in geltend gemachter Höhe aus übergegangenem Recht gemäß § 117 Abs. 5 S. 1 VVG habe. Im Innenverhältnis sei sie dem Beklagten gegenüber leistungsfrei geworden, weil dieser die in den Versicherungsbedingungen festgelegten Obliegenheiten verletzt habe (D.1.1.3. und E 1.1.3 AKB). Er habe zunächst das Fahrzeug auf öffentlichen Wegen oder Plätzen ohne die erforderliche Fahrerlaubnis benutzt und sich nach dem Unfallereignis vom Unfallort entfernt sowie seine Aufklärungspflicht verletzt. Die Leistungsfreiheit der Klägerin sei der Höhe nach für die Obliegenheitsverletzung "Fahren ohne Fahrerlaubnis" (in Entsprechung zu § 5 Abs. 3 S. 1 KfzPflVV) und für die Obliegenheitsverletzung "Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort" (in Entsprechung zu § 6 Abs. 3 S. 2 KfzPflVV) jeweils auf 5.000,00 EUR beschränkt. Die Regressbeträge seien zu addieren, wenn - wie hier - die eine Obliegenheitsverletzung vor Eintritt des Versicherungsfalls und die andere im Anschluss daran begangen worden sei. Komme die Verletzung von Obliegenheiten, die vor und nach dem Versicherungsfall zu erfüllen seien, zusammen, erhöhe sich die Grenze bis auf 10.000,00 EUR. Eine besondere Schutzwürdigkeit des Versicherungsnehmers bzw. Mitversicherten, der zwei Obliegenheitsverletzungen begehe, sei nicht erkennbar. Die KfzPflVV stehe dem nicht entgegen. Die §§ 5 und 6 KfzPflVV führten ebenfalls Obliegenheiten mit unterschiedlichem und eigenständigem Charakter auf, die in ihrer Zielsetzung differierten und als Sanktion jeweils eine beschränkte Leistungsfreiheit des Versicherers vorsähen. Auch wenn die Verordnung eine Zusammenrechnung der Regressbeträge nicht ausdrücklich vorsehe, schließe sie eine Verdopplung der Leistungsfreiheitsbeträge jedenfalls nicht aus. Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz, der vom Landgericht festgestellten Tatsachen sowie der Begründung im Einzelnen wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen (Bl. 75-80 d. A.).

Gegen das am 14.12.2016 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 21.12.2016 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel binnen verlängerter Frist am 14.3.2017 begründet. Er wendet sich gegen die Auffassung des Landgerichts, die Regressbeträge seien zu verdoppeln. Es sei nicht ersichtlich, wo dies eine gesetzliche Grundlage habe. Die von solchen Additionen Betroffenen hätten regelmäßig bereits erhebliche strafrechtliche Sanktionen hinter sich. Unter Abwägung der Interessen aller Versicherten einerseits und des Schädigers andererseits könne diese Waage nicht ohne klare gesetzliche Grundlage zu Lasten des Schwächsten - nämlich des Schädigers - ausfallen. Es sei nicht ersichtlich, dass eine besondere Schutzwürdigkeit des Versicherungsnehmers bzw. des Mitversicherten - wie vorliegend der Fall - nicht bestehe. Es gebe keine besondere Belastungsnotwendigkeit, die aber bei Verdopplung der Regressbeträge de facto eintrete. Dies sei vor allem dann von erheblichem Belang, wenn der Beklagte, wie hier, zwar beide Obliegenheitsverletzungen für sich betrachtet vorsätzlich begangen habe, aber rein tatsächlich kein Bewusstsein für eine versicherungsrechtliche Problematik und demgemäß keinen Vorsatz für die Verletzung der versicherungsrechtlichen Obliegenheiten gehabt habe. Konsequenterweise könne es zur Vervierfachung des Regresses oder zu weiteren Erhöhungen kommen. Aus dem angefochtenen Urteil ergebe sich auch nicht, warum wegen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort § 6 Abs. 3 KfZPflVV für besonders schwerwiegende vorsätzlich begangene Verletzungen der Aufklärungs- oder Schadensminderungspflicht gelte.

Der Beklagte b...

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