Leitsatz (amtlich)

Ein zur Nichtigkeit der in einer GmbH-Gesellschafterversammlung gefassten Beschlüsse führender Einladungsmangel liegt trotz formell ordnungsgemäßer Ladung jedenfalls dann vor, wenn 1.) aufgrund konkreter Umstände davon auszugehen ist, dass die formell ordnungsgemäße Ladung den betroffenen Gesellschafter nicht erreichen wird, 2.) eine Möglichkeit besteht, den Gesellschafter per E-Mail zu erreichen und über die anstehende Gesellschafterversammlung in Kenntnis zu setzen und 3.) diese Kommunikationsmöglichkeit in anderem Zusammenhang bereits mehrfach genutzt wurde.

 

Verfahrensgang

LG Kleve (Aktenzeichen 8 O 90/17)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers wird das Amtsgericht Kleve unter Aufhebung des Beschlusses der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Kleve (8 O 90/17) vom 21.12.2017 wie folgt angewiesen:

Der Eintragung der A... als Inhaberin der in der zum Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste aufgeführten Geschäftsanteile mit den laufenden Nummern 55.001-74.250 der A... (Amtsgericht Kleve, HRB 7484) wird ein Widerspruch zugeordnet.

Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte mit seiner unter dem 27.10.2017 erhobenen Klage auf Feststellung der Nichtigkeit zweier in der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 31.08.2016 gefasster Beschlüsse in Anspruch. Gleichzeitig begehrt er im einstweiligen Rechtsschutzverfahren den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der das Amtsgericht Kleve - Handelsregister - angewiesen werden soll, der Liste der Gesellschafter der Beklagten seinen Widerspruch gegen die Gesellschafterstellung der Beklagten zuzuordnen.

Der Kläger war ursprünglich einer der beiden geschäftsführenden Gesellschafter der Beklagten. Im Jahr 2008 nahmen der Kläger und Frau B... als weitere Gesellschafterin die in Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate/VAE) ansässige C... auf, deren Geschäftsführer der ebenfalls im Jahr 2008 zum Mitgeschäftsführer der Beklagten bestellte Herr D... ist. Nachdem die private Beziehung zwischen dem Kläger und Frau B... endete, gab der Kläger Ende 2014/Anfang 2015 das Geschäftsführeramt infolge der damit einhergehenden persönlichen Differenzen auf, zog aus den von ihm nach seinem Auszug aus der gemeinsamen Wohnung vorübergehend zu Wohnzwecken genutzten, über dem Betrieb der Beklagten gelegenen Räumlichkeiten aus und begab sich mit einem ihm von der Beklagten verkauften Segelboot "auf große Fahrt". Einen festen Wohnsitz unterhielt der Kläger seitdem nicht mehr. Am 31.08.2016 fand eine Gesellschafterversammlung der Beklagten statt, zu welcher der Kläger mit Einladungsschreiben vom 28.07.2016 unter der Anschrift "..., Abu Dhabi" eingeladen wurde. Der Kläger erschien zu der Gesellschafterversammlung nicht. Mit den auf die Geschäftsanteile von Frau B... und der C... entfallenden 65 % des Stammkapitals der Beklagten entsprechenden Stimmen wurde zum einen die Einziehung der auf den Kläger entfallenden Geschäftsanteile, der Untergang dieser Geschäftsanteile und die Schaffung neuer Geschäftsanteile, die von der Beklagten als eigene Anteile übernommen und gehalten werden, und zum anderen eine Änderung des Gesellschaftsvertrages der Beklagten beschlossen. Unter dem 28.09.2016 wurde von dem beurkundenden Notar unter Hinweis auf die Beschlussfassungen vom 31.08.2016 eine geänderte Gesellschafterliste beim Registergericht eingereicht, welche Frau B..., die C... und die Beklagte als Gesellschafter der Beklagten ausweist. Die Eintragung in das Handelsregister ist erfolgt.

Der Kläger macht, soweit für das einstweilige Verfügungsverfahren von Interesse, geltend, die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung vom 31.08.2016 seien nichtig, jedenfalls aber anfechtbar, da er zu dieser Gesellschafterversammlung nicht eingeladen worden sei. Nach der Satzung der Beklagten hätte die Einladung mit Einschreiben an die der Gesellschaft zuletzt mitgeteilte Anschrift erfolgen müssen. Die Einladung sei ihm nicht wirksam zugegangen. Das Beförderungsunternehmen bescheinige eine Übernahme des Poststücks durch einen "Mr. F...", obwohl an ein Postfach habe zugestellt werden sollen. Das Poststück sei also nicht in das Postfach eingelegt, sondern einem Dritten überlassen worden, allein daraus ergebe sich schon ein Einberufungsmangel. Er, der Kläger, habe der Beklagten zu keinem Zeitpunkt konkret eine ladungsfähige Anschrift im Sinne der Satzungsregelung mitgeteilt. Frau B... habe aber gewusst, dass er niemals in Abu Dhabi gelebt und die Briefkasten-Anschrift nur im Interesse der Gesellschaft und mit Rücksicht auf den Mitgesellschafter unterhalten habe, die Beziehung in die VAE mit Aufgabe der Geschäftsführerstellung beendet gewesen sei und er sich im Januar 2015 unter Aufgabe seines Wohnsitzes auf eine Segelreise begeben habe. Auch wenn die Postfachanschrift regelmäßig in Gesellschafterbeschlüssen als Wohnanschrift benannt worden sei, habe sie nach alledem nicht als "zuletzt mitgeteilte Ad...

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