Leitsatz (amtlich)

1. Verträge zwischen Vermittlern von Mobilfunkanschlüssen und Mobilfunkanbietern unterliegen regelmäßig dem Handelsvertreterrecht.

2. Aus den Regelungen des § 86a Abs. 1 und Abs. 2 HGB und der vertraglichen Treue- und Loyalitätspflicht folgt, dass den Unternehmer die Verpflichtung zur Unterstützung und Rücksichtnahme gegenüber seinem Handelsvertreter trifft. Wo die konkreten Grenzen für die Annahme einer Treuepflichtverletzung verlaufen, muss anhand des im Wege der Auslegung zu ermittelnden Vertragsinhalts im Einzelfall bestimmt werden. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Treuepflichten im Verhältnis Unternehmer / Vertragshändler kann unter angemessener Berücksichtigung der bestehenden Unterschiede zwischen den Rechtsbeziehungen bei der Beurteilung der Grenzen der Treuepflichten auch im Verhältnis Unternehmer / Handelsvertreter berücksichtigt werden.

3. Für den Entschluss eines Unternehmers, einen weiteren Vertriebspartner im Gebiet seines Vertragspartners einzusetzen, kann eine Vielzahl unterschiedlicher Anlässe und Kriterien maßgeblich sein. Die Beurteilung und Gewichtung dieser Kriterien muss grundsätzlich seinem unternehmerischen Ermessen vorbehalten bleiben; dem Unternehmer kann insbesondere nicht verwehrt werden, einen expansiven Wettbewerb zu betreiben.

 

Normenkette

HGB § 86a

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Entscheidung vom 19.04.2011; Aktenzeichen 6 O 282/10)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 19. April 2011 verkündete Urteil des Landgerichts Düsseldorf (Az.: 6 O 282/10) wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Der Kläger ist derzeit Inhaber zweier V...-Partneragenturen in B..., nämlich einer solchen in den G... und einer weiteren in der K...Straße .... Ferner unterhielt er von Mai 2008 bis Januar 2011 im Abstand von etwa 500 m zu der letztgenannten Agentur eine weitere V...-Partneragentur in der K...Straße ... im Erdgeschoss der Einkaufspassage "... Arcaden". Er begehrt die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm wegen der Zulassung von V...-(Exklusiv-)Fachhandelsgeschäften in örtlicher Nähe der beiden von ihm in der K...Straße betriebenen Partneragenturen Schadensersatz zu leisten. Weiter verlangt er von der Beklagten diverse Auskünfte über die von diesen Händlern zugunsten der Beklagten vermittelten Verträge, um den ihm entstandenen Schaden berechnen zu können. Die Beklagte ist Teil der V... Group, des weltgrößten Mobilfunkkonzerns. Sie vertreibt ihre Produkte über sogenannte V...-Partneragenturen, V...-Exklusiv-Fachhändler, V...-Fachhändler und Distributoren (Zwischenhändler) sowie über eigene Direktvertriebe. Während die V...-Partneragenturen und die V...-Exklusiv-Fachhändler vertraglich verpflichtet sind, ausschließlich Verträge über Telekommunikationsdienstleistungen der Beklagten zu vermitteln, ist es den Fachhändlern erlaubt, daneben auch Verträge für andere Mobilfunkanbieter zu vermitteln.

Das in der Zeit von 1996 bis August 2006 von der Beklagten als Direktfiliale betriebene V...-Ladenlokal in der K...Straße ... übernahm der Kläger, der dort bis dahin als Angestellter beschäftigt gewesen war, von der Beklagten im September 2006 unter Abschluss eines als "Fachhändlervertrag" bezeichneten Vertrages nebst Zusatzvereinbarungen betreffend "Exklusivität" und "Partneragentur". Zu diesem Zeitpunkt wusste der Kläger, dass die Beklagte beabsichtigte, in einer Entfernung von etwa 1,3 km am H... eine neue Direktfiliale zu errichten, was tatsächlich im April 2008 geschah. Das V...-Geschäft in der K...Straße ..., das seit dem Jahr 2003 existiert, übernahm der Kläger im Frühjahr 2008 und schloss mit der Beklagten einen gleichlautenden Vertrag einschließlich derselben Zusatzvereinbarungen. Beide Verträge regeln, dass und unter welchen konkreten Bedingungen der Kläger als Inhaber einer Partneragentur für die Beklagte den Abschluss von Verträgen über Telekommunikationsdienstleistungen, insbesondere Mobilfunkdienstleistungen (Kartenverträge), und Debit-Endkundenverhältnisse zu vermitteln hat. Die Verträge enthalten u.a. folgende Regelungen:

"A. Vertragsgegenstand

§ 1 Rechte und Pflichten des Fachhändlers

(1)

Der Fachhändler vermittelt für VF D2 den Abschluss von Verträgen über Telekommunikationsdienstleistungen, insbesondere Mobilfunkdienstleistungen. [...]

(2)

Der Fachhändler [...] wird VF D2 laufend über seine Tätigkeit berichten.

(3)

Zu der Vermittlungstätigkeit des Fachhändlers gehört die umfassende Kundenberatung bei Vertragsvermittlung. Der Fachhändler erbringt die Beratungsleistungen du...

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