Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Leistungsverfügung wegen Belieferungsanspruch

 

Leitsatz (redaktionell)

Macht ein Händler gegen ein marktbeherrschendes Unternehmen einen Belieferungsanspruch im Wege der Leistungsverfügung geltend, kann diesem grundsätzlich nur in einer Notsituation oder bei ganz eindeutiger Rechtslage stattgegeben werden. Bleibt dem Antragsteller die Möglichkeit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen offen, kommt eine Leistungsverfügung grundsätzlich nicht in Betracht.

 

Verfahrensgang

LG Köln (Entscheidung vom 24.08.2006)

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin gehört zum R.-Konzern und betreibt unter der Bezeichnung "P." bundesweit rund 50 Fachmärkte für Unterhaltungselektronik. Die Antragsgegnerin bietet die Liveübertragung der Fußball-Bundesligaspiele im Bezahlfernsehen (A. TV) an. Sie stellt ihr Programm dabei sowohl den Kabelkunden als auch den Fernsehzuschauern mit Satellitenempfang zur Verfügung. An der Vermarktung von Abonnements an Fernsehzuschauer mit Kabelanschluss ist die Antragstellerin von Beginn an beteiligt. Demgegenüber hat die Antragsgegnerin den Vertrieb ihrer Abonnementverträge an Zuschauer mit Satellitenanschluss für die Anfangsphase von Ende Juli bis Ende September 2006 exklusiv an den M.-Konzern (M.-Markt, S.) vergeben und es abgelehnt, auch die Antragstellerin vor Oktober 2006 als Vertriebspartner einzuschalten.

Die Antragstellerin hält dieses Vorgehen für eine kartellrechtswidrige Diskriminierung. Sie nimmt die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung auf "Belieferung" in Anspruch. Mit ihrem - letztlich zur Entscheidung gestellten - Verfügungsantrag verlangt sie die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihr mit sofortiger Wirkung einen Vertrag auf Provisionsbasis als Fachhandelspartner für den Vertrieb von A.-Abonnements an Endkunden mit Satellitenempfang zu angemessenen marktüblichen Bedingungen anzubieten.

Das Landgericht hat dem Verfügungsantrag stattgegeben. Dagegen richtet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung. Sie ist der Ansicht, dass der Antrag bereits mangels hinreichender Bestimmtheit abzulehnen gewesen sei. Außerdem, so meint sie, seien die besonderen Voraussetzungen für den Erlass einer Leistungsverfügung weder dargelegt und glaubhaft gemacht noch tatsächlich erfüllt. Schließlich stellt sie auch einen kartellrechtlichen "Belieferungsanspruch" der Antragstellerin in Abrede.

Die Antragstellerin verteidigt das angefochtene Urteil und tritt dem Vorbringen der Berufung im Einzelnen entgegen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Das Landgericht hat die beantragte einstweilige Verfügung zu Unrecht erlassen.

A. Dabei kann es auf sich beruhen, ob - wofür Vieles spricht - das Verfügungsbegehren auf Belieferung zu "angemessenen marktüblichen" Konditionen nicht bereits der erforderlichen Bestimmtheit (vgl. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) entbehrte. Jedenfalls musste der Verfügungsantrag der Antragstellerin aber deshalb abgelehnt werden, weil die besonderen Voraussetzungen für den Erlass der nachgesuchten Leistungsverfügung nicht vorgelegen haben.

1. Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer auf Befriedigung gerichteten einstweiligen Verfügung. Eine solche Leistungsverfügung ist - weil sie zu einer im Gesetz nicht vorgesehen Vorwegnahme der Hauptsache führt - nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. WuW/E DE-R 619, 774 und 847; Urt. v. 25.4.03 - U (Kart) 1/03; Urt. v. 29.12.04 -U (Kart) 41/04, Urt. v. 26.1.2005 - VI-U(Kart) 32/04; Beschl. v. 27.3.2006 - VI-W(Kart) 2/06) und anderer Oberlandesgerichte (OLG Karlsruhe, WuW/E OLG 2319; OLG Saarbrücken, WuW/E OLG 2573; OLG Koblenz, WuW/E OLG 3893; KG, WuW/E OLG 4628; OLG Köln, NJW 1994, 56) genügt es nicht, dass ohne den Erlass der einstweiligen Verfügung die Verwirklichung eines Anspruchs des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 935 ZPO) oder der nachgesuchte einstweilige Rechtsschutz erforderlich ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden (§ 940 ZPO). Eine Leistungsverfügung kommt vielmehr nur bei einer bestehenden oder zumindest drohenden Notlage des Antragstellers in Betracht. Dieser muss so dringend auf die sofortige Erfüllung seines Anspruchs angewiesen sein oder ihm müssen so erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen, daß ihm weder ein Zuwarten bei der Durchsetzung seines Anspruchs noch eine Verweisung auf die spätere Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zuzumuten ist. Dem Interesse der antragstellenden Partei an einer Gewährung effektiven Rechtsschutzes durch Erlass einer Leistungsverfügung ist dabei das schutzwürdige Interesse der verfügungsbeklagten Partei gegenüberzustellen, nicht in einem mit nur eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten ausgestatteten summarischen Verfahren zu einer Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs angehalten zu werden. In die erforderliche Abwägung der beiderseitigen Belange sind ferner die Erfolgsaussichten des Verfügungsantrags einzubeziehen. Ist die Rechtslage eindeutig und lässt sich di...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge