Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 9 O 1692/20)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Grundurteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 04.06.2021, Az.: 9 O 1692/20, unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung in Ziffer 1. des Tenors abgeändert:

Die Klage ist dem Grunde nach unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Klägerin von 50 % gerechtfertigt.

2. Zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs und über die Kosten der Berufung wird die Sache an das Landgericht Dresden zurückverwiesen.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 44.365,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von Schmerzensgeld aufgrund eines Verkehrsunfalls in Anspruch.

Der Unfall ereignete sich am ...2015, als die xxx geborene Klägerin nach Einbruch der Dunkelheit die ...straße in O1 zu Fuß überqueren wollte. Dabei kollidierte sie mit einem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw ... (künftig: Beklagtenfahrzeug). Die gehbehinderte Klägerin hatte die Straßenmitte bereits überschritten, als sie mit dem sich aus ihrer Sicht von rechts nähernden Beklagtenfahrzeug zusammenstieß. Der Anstoß erfolgte am Beklagtenfahrzeug vorn links. Die Klägerin wurde durch den Unfall schwer verletzt.

Durch Grundurteil vom 04.06.2021, auf das hiermit zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Schmerzensgeldklage dem Grunde nach mit der Maßgabe einer Haftung der Beklagten zu einem Drittel für gerechtfertigt erklärt. Die Entscheidung ist der Klägerin am 07.06.2021 zugestellt worden. Am 05.07.2021 hat sie Berufung eingelegt und diese am 09.08.2021, einem Montag, begründet.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin in der Sache ihr erstinstanzliches Begehren fort. Sie macht geltend, dass in einem Verfahren der Eigentümerin des Beklagtenfahrzeugs gegen sie, die Klägerin, vor dem Amtsgericht Meißen (Az.: 115 C 439/16) von einem 80 %igen Haftungsanteil der Gegenseite ausgegangen worden sei. Das habe für das vorliegende Verfahren präjudizielle Wirkung. Die 80 %ige Haftung sei aber angesichts der Umstände auch in der Sache begründet.

Die Klägerin beantragt,

1. das Grundurteil des Landgerichts Dresden vom 07.06.2021 aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an die 9. Zivilkammer des Landgerichts Dresden zurückzuverweisen,

2. hilfsweise, das Grundurteil des Landgerichts Dresden vom 07.06.2021 abzuändern und die Schmerzensgeldklage dem Grunde nach mit der Maßgabe einer Haftung der Beklagten von 80 % für gerechtfertigt zu erklären,

3. hilfsweise, das Grundurteil des Landgerichts Dresden vom 07.06.2021 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 76.000 EUR aber nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.07.2020 zu zahlen sowie die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 2.085,95 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25.7.2020 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben, indem er aus dem Ermittlungsverfahren gegen den Fahrer des Beklagtenfahrzeugs (Staatsanwaltschaft ..., Az: xxx) die Gutachten des Sachverständigen S1 (Bl. 103 ff., Bl. 209 ff.) im Wege des Urkundenbeweises verwertet sowie die Lichtbildmappe (Bl. 6 ff.) in Augenschein genommen hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die genannten Beweismittel verwiesen.

B. Die zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß §§ 7 Abs. 1, 11 S. 2 StVG, 253 Abs. 2 BGB, 115 Abs. 1 VVG dem Grunde nach einen Anspruch auf Schmerzensgeld (Nr. III.2.), wobei gemäß §§ 9 StVG, 254 BGB, 25 Abs. 3 StVO ein hälftiges Mitverschulden zu berücksichtigen ist (Nr. III.1.).

I. 1. Die von der Klägerin vorrangig erstrebte Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und Zurückverweisung an das Landgericht ohne eigene Entscheidung des Senats über den Grund des Anspruchs kommt nicht in Betracht. Die Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO liegen nicht vor. Zur Entscheidung über den Anspruchsgrund ist eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme nicht erforderlich, sodass insoweit auch mit Blick auf die seit dem Unfall verstrichene Zeit und das Alter der Klägerin eine eigene Entscheidung des Senats veranlasst ist.

2. Anders liegt es bei der Entscheidung über die Höhe des Schmerzensgeldanspruchs. Insoweit bedarf es für die Herbeiführung der Entscheidungsreife noch erheblichen Aufwands, sodass eine Zurückverweisung an das erstinstanzliche Gericht gemäß § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO veranlasst ist. Der dazu gemäß § 538 Abs. 2 S. 1 ZPO er...

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