Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung von rückständigem Kindesunterhalt
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Verwirkung von rückständigem Minderjährigenunterhalt nach dem Eintritt der Volljährigkeit des Kindes.
Normenkette
BGB §§ 242, 1603 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Lüneburg (Urteil vom 29.10.2007; Aktenzeichen 37 F 168/07) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 21.9.2007 verkündete Urteil des AG - FamG - Lüneburg vom 29.10.2007 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert übersteigt nicht 2.500 EUR.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus vollstreckbaren Urkunden über Kindesunterhalt.
Der Kläger ist der Vater der am 26.2.1988 geborenen Beklagten. Zugunsten der Beklagten war zuletzt durch Beschluss des AG Lüneburg (29 FH 28/00) vom 27.3.2001 ein monatlicher Kindesunterhalt i.H.v. 114 % des Regelbetrages (West) in der dritten Altersstufe abzgl. des anrechenbaren Kindergeldes gegen den Kläger festgesetzt worden. Vor der Vollendung des 18. Lebensjahres der Beklagten war das Jugendamt der Stadt L. im Rahmen einer Beistandschaft in Unterhaltsangelegenheiten für die Beklagte tätig geworden.
Der Kläger geriet mit den Zahlungen auf den titulierten Kindesunterhalt in Rückstand. Am 21.12.2005 teilte das Jugendamt dem Kläger mit, dass für den Zeitraum nach dem 21.6.2004 teilweise auf die Zwangsvollstreckung aus dem Unterhaltsfestsetzungsbeschluss verzichtet werde. Weitere Vollstreckungsmaßnahmen entfaltete das Jugendamt danach nicht mehr. Unter dem 24.2.2006 erteilte das Jugendamt der Beklagten einen Schlussbericht über die Beistandschaft und übersandte ihr die Vollstreckungsunterlagen mit dem Bemerken, dass der - auch unter Berücksichtigung des Vollstreckungsverzichts - weiterhin bestehende Unterhaltsrückstand nunmehr ihr persönlich in voller Höhe zustehe.
Durch Schreiben vom 5.2.2007 forderte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten den Kläger vergeblich zur Zahlung eines rückständigen Kindesunterhalts i.H.v. 2.120,40 EUR bis zum 20.2.2007 auf. Unter dem 16.3.2007 erteilte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten dem Gerichtsvollzieher einen Vollstreckungsauftrag zur Beitreibung eines Unterhaltsrückstands i.H.v. 2.120,40 EUR zzgl. der Kosten der Zwangsvollstreckung i.H.v. 68,97 EUR. Durch Schreiben vom 14.5.2007 kündigte der Gerichtsvollzieher dem Kläger die Zwangsvollstreckung an.
Mit seiner Klage erstrebt der Kläger, die Zwangsvollstreckung aus den Kindesunterhaltstiteln für unzulässig zu erklären und die Beklagte zur Rückzahlung der von ihm zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleisteten Beträge zu verurteilen. Er beruft sich darauf, dass der Anspruch aus der titulierten Forderung verwirkt sei.
Das AG hat die Klage abgewiesen. Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Der angefochtenen Entscheidung des AG ist sowohl im Ergebnis als auch in wesentlichen Teilen der Begründung zu folgen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der titulierte Kindesunterhaltsanspruch der Beklagten nicht gem. § 242 BGB verwirkt.
1. Der für das Zeitmoment der Verwirkung maßgebliche Zeitraum konnte nicht vor der Vollendung des 18. Lebensjahres der Beklagten am 26.2.2006 beginnen.
a) Die Verwirkung eines Rechts stellt nach allgemeiner Ansicht einen Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens dar (Palandt/Heinrichs BGB, 67. Aufl., § 242 Rz. 87. Münch/KommRoth BGB, 5. Aufl., § 242 Rz. 296. StaudingerLooschelders/Olzen BGB [Stand: Juli 2005] § 242 Rz. 302. Larenz Schuldrecht I Allgemeiner Teil 14. Aufl., § 10 II b). Ein Recht kann durch längere Nichtausübung verwirkt werden, wenn dadurch der andere Teil zu der berechtigten Überzeugung gelangen musste, der Berechtigte werde keinen Gebrauch mehr davon machen und gegen den Berechtigten somit der Vorwurf einer illoyal verspäteten Geltendmachung seines Rechts erhoben werden kann. Der Vorwurf eines widersprüchlichen Verhaltens kann die Beklagte jedoch frühestens mit Vollendung ihres 18. Lebensjahres am 26.2.2006 treffen, als sie selbst erstmals in Bezug auf die Geltendmachung des Rechts eigene Entscheidungen treffen konnte. Da sich der Kläger von vornherein darauf einrichten musste, dass die Entscheidungen hinsichtlich der Durchsetzung des titulierten Kindesunterhalts seit dem 26.2.2006 nicht mehr vom Jugendamt oder von der Mutter der Beklagten getroffen wurden, konnte die bloße Untätigkeit des Beistands oder der gesetzlichen Vertreterin vor dem 26.2.2006 kein berechtigtes Vertrauen dahingehend erzeugen, dass auch die Beklagte selbst keinen Gebrauch von ihrem Recht machen würde, wenn sie selbst über dessen Geltendmachung entscheiden durfte.
b) Richtig ist freilich, dass der Eintritt der Volljährigkeit eines Kindes einen in der Vergangenheit bereits verwirkten Kindesunterhaltsanspruch nicht wieder aufleben lassen kann. Der tituli...