Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält an seiner Rechtsprechung (6 U 22/20, Urteil vom 7. Januar 2021) fest, dass ein (notarielles) Testament sittenwidrig sein kann, wenn eine Berufsbetreuerin ihre gerichtlich verliehene Stellung und ihren Einfluss auf einen älteren, kranken und alleinstehenden Erblasser dazu benutzt, gezielt auf den leicht beeinflussbaren Erblasser einzuwirken und ihn dazu zu bewegen, vor einem von ihr herangezogenen Notar in ihrem Sinne letztwillig zu verfügen (hier: 92-jährige, kranke Erblasserin, nach dem unmittelbar vor Einrichtung der Betreuung eingetretenen Tod ihrer Tochter ohne Angehörige, testiert vor einem von der Betreuerin beauftragten Notar zwei Wochen nach Einrichtung der Betreuung zugunsten der Betreuerin).

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 233.333 EUR.

 

Gründe

I. Die am ... ... 1930 geborene Erblasserin, deren Ehemann 2004 verstorben war, lebte mit ihrer einzigen Tochter zusammen. Weitere nähere Angehörige hatte die Erblasserin nicht. Die Tochter, geschieden und kinderlos, verstarb nach längerer Krankheit am 24. September 2022 im Alter von 71 Jahren im Klinikum N. in H. Die Erblasserin befand sich vom 2. September bis 3. Oktober 2022 im Klinikum N., und zwar in den letzten Tagen vor dem Tod der Tochter mit dieser in einem Krankenzimmer. Zwei Tage nach dem Tod der Tochter, die sich um die Angelegenheiten der Erblasserin gekümmert hatte, wurde für die Erblasserin auf Anregung des Krankenhauses N. eine Betreuung eingerichtet und die der Erblasserin bis dahin unbekannte Beteiligte zu 1, die nach eigenen Angaben seit 9. Dezember 2022 ihren jetzigen Namen trägt, zur Betreuerin der Erblasserin bestellt. Bei ihrer Anhörung durch die Betreuungsrichterin am 23. September 2022 hatte die Erblasserin, dort als "sehr verzweifelt" beschrieben, angegeben, sie beabsichtige, ein Testament zugunsten der Kirche zu machen (Anhörungsprotokoll Bl. 42 in 51 IV ... Amtsgericht Hannover). Vom 3. bis zum 18. Oktober 2022 befand sich die Erblasserin im DRK-Krankenhaus C. in H.; dort war sie mit Notarztbegleitung eingeliefert worden (Bl. 19). Nur kurz war sie zwischen den beiden Krankenhausaufenthalten in einer Pflegeeinrichtung untergebracht.

Die Beteiligte zu 1 beauftragte den Notar P. mit der Erstellung eines notariellen Testaments der Erblasserin. Zu diesem Zweck begab sich der Notar am 11. Oktober 2022 ins Krankenhaus und beurkundete ein Testament, das dem Senat im Original vorliegt (51 IV ... AG Hannover, S. 19 ff.). In diesem setzte die Erblasserin die Beteiligte zu 1 zu ihrer "alleinigen und uneingeschränkten Erbin meines gesamten Nachlasses ein. Hintergrund der Erbeinsetzung ist die Dankbarkeit über die Pflege, welche die Erbin mir seit ihrer Bestellung als Betreuerin zukommen lässt." Der Ev.-luth. N. Kirchengemeinde in H. wandte sie einen Betrag von 10.000 EUR als Vermächtnis zu. Den Reinwert ihres Vermögens gab die Erblasserin mit ca. 350.000 EUR an.

Nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus am 18. Oktober 2022 nahm die Beteiligte zu 1 die Erblasserin bei sich zu Hause auf. Mit notarieller Urkunde des Notars P. vom 20. Oktober 2022 beantragte die Beteiligte zu 1 in ihrer Eigenschaft als Betreuerin der Erblasserin einen Erbschein, wonach die Tochter der Erblasserin von dieser allein beerbt worden sei; der Erbschein wurde mit Datum vom 7. Dezember 2022 antragsgemäß erteilt (56 VI ... Amtsgericht Hannover, wo sich Bl. 21 auch der Hinweis findet, dass die Beteiligte zu 1 den Tod der Erblasserin dem Nachlassgericht nicht angezeigt habe). Die Erblasserin starb am 22. Oktober 2022 im Haus der Beteiligten zu 1.

Unter Verweis darauf, dass die Erblasserin im Betreuungsverfahren geäußert habe, sie beabsichtige, ein Testament zu Gunsten der Kirche zu machen, sowie darauf, dass die Errichtung des Testaments sehr früh nach Beginn der Betreuung und der Kontaktaufnahme der Betreuerin, der Beteiligten zu 1, zur Erblasserin erfolgt sei, sodass das notarielle Testament sittenwidrig sein könne, ordnete das Amtsgericht mit Beschluss vom 3. Februar 2023 Nachlasspflegschaft an und bestellte den Beteiligten zu 2, Rechtsanwalt X., zum Nachlasspfleger mit den Aufgabenkreisen Sicherung sowie Verwaltung des Nachlasses. Mit Beschluss vom 20. Juli 2023 erweiterte das Amtsgericht den Wirkungskreis auf die Erbenermittlung. Beschwerde wurde dagegen nicht eingelegt.

Den notariellen Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 vom 31. August 2023 hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 10. Oktober 2023 zurückgewiesen. Das notarielle Testament sei sittenwidrig, was näher ausgeführt wird. Gegen den Beschluss hat die Beteiligte zu 1 unter dem 2. November 2023 Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 30. November 2023 begründet.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Der Senat folgt nicht der Auffassung der Beschwerde, dass es keine Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasserin gebe. Nach § 2229 Abs. 4 BGB "kann ein Testament nicht errichten", "wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche o...

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