1 Leitsatz

Öffentlich-rechtliche Nachbarschutzrechte sind grundsätzlich unter den Mitgliedern einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht anzuwenden. Etwas Anderes kann aber gelten, wenn der Miteigentümer von der Behörde nicht allein den Schutz seiner Rechte begehrt, sondern er ein behördliches Einschreiten wegen bestehender Gefahren verlangt, die von einer bestimmten Art der Nutzung des Sondereigentums oder der Gemeinschaftsanlagen ausgehen.

2 Normenkette

§ 9a Abs. 2 WEG; § 1004 BGB

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K ist seit Mitte des Jahres 2021 Eigentümer von 2 Wohnungseigentumsrechten in einer im Jahre 1997 errichteten Wohnungseigentumsanlage. Nach der Übernahme der Wohnungen stellt K im Zuge von Bauarbeiten, bei denen er u. a. großflächig den Estrich über der Kellerdecke herausstemmen ließ, fest, dass sich Risse in den Decken befinden und Brandschutzmanschetten an Rohren im Bereich des Kellers fehlen. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer lehnt es ab, dort Maßnahmen zu ergreifen. Daraufhin wendet sich K mit der Bitte um Begutachtung des Gebäudes an die Bauaufsichtsbehörde und verlangt von dieser schließlich, bauaufsichtlich gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einzuschreiten. Es müsse eine Nutzungsuntersagung für eine Wohnung im Erdgeschoss ausgesprochen und die Sperrung und Leerung der Keller und die Abstützung der betroffenen Decken verfügt, Gutachten zur Statik und zum Brandschutz angefordert und für die Unversehrtheit der Bewohner durch Informationen und Nutzungseinschränkungen für bestimmte Gebäudeteile Sorge getragen werden.

4 Die Entscheidung

Mit Erfolg! Grundsätzlich bestimme sich das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander und zur Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach den WEG-Vorschriften und, soweit dieses Gesetz keine besonderen Bestimmungen enthalte, nach den BGB-Vorschriften. Dies habe zur Folge, dass das Sondereigentum nach dem WEG öffentlich-rechtliche Nachbarschutzrechte innerhalb der Gemeinschaft der Miteigentümer ein und desselben Grundstückes ausschließe. Etwas Anderes könne aber gelten, wenn ein Wohnungseigentümer von der Behörde nicht allein den Schutz seiner Rechte begehre, sondern er ein behördliches Einschreiten wegen bestehender Gefahren verlange, die von einer bestimmten Art der Nutzung des Sondereigentums oder der Gemeinschaftsanlagen ausgingen. Ergebe sich dadurch eine unmittelbare Gefährdung besonders wichtiger Rechtsgüter, könne die Befugnis der Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen einzuschreiten, zu einer Verpflichtung werden, weil ein Einschreiten gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht ermessensgerecht abzulehnen wäre. Im Fall könne es so liegen.

5 Hinweis

Problemüberblick

Gibt es dringende Erhaltungsmaßnahmen, kann ein Wohnungseigentümer auf diese nach § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG klagen. Der Fall zeigt, dass es im Einzelfall, nämlich dann, wenn Gefahren von einer bestimmten Art der Nutzung des Sondereigentums oder der Gemeinschaftsanlagen ausgehen, auch die Bauaufsichtsbehörde eingeschaltet werden kann.

Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?

Die Verwaltung kann in solchen Fällen "über Bande" spielen. Sie kann nämlich der Bauaufsichtsbehörde einen Tipp geben, wenn eine Gefahr droht. Denn dann kann die Bauaufsichtsbehörde Maßnahmen ergreifen, beispielsweise zum Brandschutz.

6 Entscheidung

OVG Weimar, Beschluss v. 11.1.2023, 1 EO 348/22

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