Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. missbräuchliche Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes. Rechtsschutzbedürfnis. Einlegung einer großen Anzahl von Entschädigungsklagen wegen überlanger Verfahrensdauer. querulatorische Rechtsverfolgung. Selbstdarstellung des Klägers. zweckwidrige Belastung der Gerichte. Erledigung auf sonstige Weise wegen Unbeachtlichkeit. Austragung aus dem Verfahrensregister ohne Kostenfolge

 

Orientierungssatz

1. Eine Inanspruchnahme der Gerichte in zweckwidriger, rechtsmissbräuchlicher Weise steht außerhalb des Schutzes von Art 19 Abs 4 GG (vgl BVerfG vom 19.12.2012 - 1 BvL 18/11 = BVerfGE 133, 1 = BGBl I 2013, 162). Ersuchen, die mit dem Rechtsschutzauftrag der Gerichte überhaupt nicht mehr im Zusammenhang stehen, sondern nur noch entweder der Selbstdarstellung des Antragstellers/Einreichers dienen sollen oder primär eine zusätzliche Arbeitsbelastung der Gerichte bezwecken, sind daher von vornherein nicht als förmliche Rechtsbehelfe zu behandeln (so auch VGH München vom 14.3.1990 - 5 B 89.3542 = NJW 1990, 2403).

2. Fehlt dem Kläger für eine Vielzahl von anhängig gemachten Entschädigungsklagen nach § 198 GVG (hier: 138 Klagen) in diesem Sinne das Rechtsschutzbedürfnis, sind diese Begehren wegen Unbeachtlichkeit auf sonstige Weise ohne Kostenfolge - und damit letztlich auch im wohlverstandenen Interesse des Klägers, der auf diese Weise vor weiteren Verbindlichkeiten (hier in Höhe von 29.934 Euro) verschont bleibt - auszutragen und hat eine weitere Bearbeitung nicht zu erfolgen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 12.02.2015; Aktenzeichen B 10 ÜG 8/14 B)

 

Tenor

Die vom Kläger hier am 20. und 27. Januar 2014 erhobenen insgesamt 138 Klagen auf Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer L 2 SF 265/14 EK, L 2 SF 266/14 EK und L 2 SF 608/14 EK bis L 2 SF 743/14 EK sind offensichtlich haltlos und lassen auch nicht ansatzweise ein berechtigtes Interesse erkennen, weshalb sie als letztlich unbeachtliche Begehren auf sonstige Weise auszutragen sind und eine weitere Bearbeitung nicht zu erfolgen hat.

 

Gründe

Der Kläger betreibt seit 2009 in einem deutlich jeglichen normalen Rahmen sprengenden Umfang Verfahren insbesondere beim Sozialgericht Karlsruhe und dem Landessozialgericht Baden-Württemberg:

Landessozialgericht

Sozialgericht Karlsruhe

2004   

3       

2005   

9       

2005   

11    

2006   

14    

2006   

6       

2007   

12    

2007   

17    

2008   

18    

2008   

22    

2009   

259     

2009   

265     

2010   

392     

2010   

152     

2011   

245     

2011   

173     

2012   

289     

2012   

15    

insg. 

1238   

insg. 

664     

Der Kläger hat nunmehr am 20. Januar 2014 zwei und am 27. Januar 2014 weitere 136 Verfahren wegen überlanger Verfahrensdauer erhoben. Im Schriftsatz vom 27. Januar 2014 sind 136 Aktenzeichen aufgelistet und wurde zur Begründung ausgeführt, dass sämtliche Verfahren nach demselben Schema abgelaufen seien. Er habe vor dem SG Klage erhoben, das SG habe die Klagen über Jahre hinweg nicht bearbeitet und dann mit - unbegründeten - Entscheidungen abgewiesen. Diese Entscheidungen habe er mit Rechtsmitteln angefochten. Das LSG habe in den Verfahren ebenfalls über Jahre hinweg Akten angesammelt und dann mit jahrelanger Verzögerung die Rechtsmittel abgewiesen. Streitigkeiten um Sozialleistungen seien jedoch besonders zu fördern. Ein auch nur ansatzweise individueller Vortrag zu den einzelnen Verfahren erfolgte jedoch nicht. Der Kläger beantragt vielmehr in allen insgesamt 138 Verfahren ohne Differenzierung jeweils 1.200,- € Entschädigung. Damit wären an sich für die gerichtskostenpflichtigen Entschädigungsklagen jeweils 213,- € Kostenvorschuss, also insgesamt 29.934,- € (138 x 213,- €) fällig.

Daneben hat der Kläger in gleicher Weise ebenfalls am 27. Januar 2014 weitere 127 Wiederaufnahmeklagen bei verschiedenen Senaten des Landessozialgerichts erhoben.

Der Kläger überzieht - wie der obigen Auflistung zu entnehmen ist - schon seit Jahren neben anderen die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit mit einer Vielzahl von Verfahren. Er wird ausweislich des vom erkennenden Senat in dem Entschädigungsverfahren L 2 SF 3694/12 EK eingeholten Gutachtens von Prof. Dr. T. vom 8. Juli 2013 zur Prozessfähigkeit aufgrund einer Persönlichkeitsstörung als prozessunfähig bzw. ausweislich eines weiteren zwischenzeitlich noch dem Senat zur Kenntnis gelangten Gutachtens von Prof. Dr. S.//H. Si. vom 29. Juni 2012 zwar noch als prozessfähig eingeschätzt. Allerdings wird von Prof. Dr. S./H. Si. ebenfalls eine verfestigte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und querulatorischen Zügen beschrieben. Nach dem Eindruck dieser Gutachter in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Karlsruhe (im Rahmen derer sie den Kläger beobachten konnten) und unter Berücksichtigung der zahlreichen von ihm geführten Verfahren sei beim Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer ausgeprägten querulatorischen Entwicklung auszugehen. Dies würde nach Auffassung der Gutachter Prof. Dr. S./H. Si. implizi...

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