Gründe

In der Firma der Angeschuldigten wurden sogen. T-Shirt-Aufbügler mit zwei unterschiedlichen Darstellungen Adolf Hitlers sichergestellt. Der eine Aufbügler zeigte ein Brustbild Hitlers in Uniform mit Hakenkreuz-Armbinde vor einer Europa-Landkarte und trug u. a. die Aufschrift › 1939 Ä 1945 European Tour‹; der andere Aufbügler zeigte ein Ganzbild Hitlers in Uniform mit zum Hitlergruß erhobenem Arm, der ein Yo-Yo-Spiel hält, und trug die Aufschrift ›European Yo-Yo Champion 1939Ä1945‹. Die Anklage legte den Angeschuldigten zur Last, mit den Aufbüglern verschiedene Kunden beliefert und damit gegen § 86 a StGB verstoßen zu haben. Das AG lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens mit der Begründung ab, der Schutzzweck des § 86 a StGB sei nicht berührt, weil es sich in beiden Fällen um eine satirische Verfremdung handele. Die sofortige Beschwerde der StA hatte Erfolg.

Nach Auffassung der Kammer enthalten beide Aufbügler Kennzeichen nationalsozialistischer Organisationen (§ 86 a Abs. 1 i. V. mit § 86 Abs. 1 Nr. 4 StGB). Die Verwendung dieser Kennzeichen durch Verkauf und Lieferung der Aufbügler verstoße auch gegen den Schutzzweck des § 86 a StGB. Hierzu nimmt die Kammer Ä in nahezu wörtlicher Übereinstimmung mit dem OLG Oldenburg (vorst. unter a.) Ä zunächst Bezug auf BGHSt 25, 30 und führt dann weiter aus:

›... Die Gefahr einer ›Einbürgerung‹, d. h. eines häufigen Auftretens nationalsozialistischer Kennzeichen in der Öffentlichkeit, insbesondere im Straßenbild, mit den Folgegefahren einer Abstumpfung und Gewöhnung, ist bei den hier in Frage stehenden Produkten zu bejahen. Es entspricht dem Sinn einer kommerziellen Verwendung, die Aufbügler in möglichst großen Stückzahlen abzusetzen. Auf die Frage, ob diese Produkte in der Bundesrepublik eine größere Zahl von Käufern finden würden, kommt es nicht entscheidend an; es genügt, daß sich der Absatz größerer Mengen nicht ausschließen läßt. Die Ansicht des AG, diese Gefahr werde dadurch ausgeschlossen, daß in den beiden Darstellungen der Nationalsozialismus in der Person Hitlers verhöhnt werde, trifft .. nicht zu. ...‹

Während die vom AG als Verhöhnung Hitlers gewertete Stellungnahme im Falle des Aufbüglers ›European Tour‹ von einem unbefangenen Beobachter auf den ersten Blick nicht erfaßt werden könne, dürfte es sich bei der Darstellung Hitlers als ›Yo-Yo-Champion‹ auch dem flüchtigen Beobachter aufdrängen, daß hier eine sinn- und geschmacklose Veralberung vorliegen solle.

›Im Gegensatz zur Verwendung eines nationalsozialistischen Kennzeichens in einer Form und einem Kontext, die eindeutig eine politische Gegnerschaft als ernsthafte politische Meinungsäußerung zum Ausdruck bringt, ist eine derartige bloße Veralberung keineswegs geeignet, die politische Anstößigkeit der Darstellung zu beseitigen, da sie Ä und dies gilt gleichermaßen für den Aufbügler ›European-Tour‹ unter Berücksichtigung seiner Beschriftung Ä in einem krassen Mißverhältnis zu ihrem Gegenstand steht und damit auf eine Verharmlosung und Bagatellisierung des Nationalsozialismus hinausläuft. Angesichts der ungeheuerlichen Verbrechen, die durch den Nationalsozialismus begangen wurden, und den katastrophalen Folgen des von ihm zu verantwortenden 2. Weltkrieges muß eine derartige [veralbernde] und damit [verharmlosende] Darstellung dieses Regimes und der sie tragenden politischen Organisationen nicht nur für jeden durch nationalsozialistische Verfolgungsmaßnahmen Betroffenen, sondern auch für jeden anderen politisch wachen Bürger ein erhebliches und den politischen Frieden störendes Ärgernis bedeuten, und zwar nach der Rechtsauffassung der Kammer auch dann, wenn damit der Anschein einer Wiederbelebung nationalsozialistischer Tendenzen und deren Duldung durch die deutschen Behörden nicht verbunden sein sollte.‹

 

Fundstellen

Haufe-Index 2996698

DRsp III(320)213b

NStZ 1986, 167

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