Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschlechtsneutrale Stellenausschreibung. Keine Geschlechterdiskriminierung durch Verwendung des "Gendersternchen" in einer Stellenausschreibung. Keine Geschlechterdiskriminierung durch die Formulierung "schwerbehinderte Bewerber*innen"
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verwendung des Gendersternchens in einer Stellenausschreibung diskriminiert mehrgeschlechtlich geborene Menschen nicht.
2. Ziel des Gendersternchens ist es, niemanden zu diskriminieren und die Vielfalt der Geschlechter deutlich zu machen.
3. Die Verwendung der Formulierung "schwerbehinderte Bewerber*innen" an Stelle der Formulierung "schwerbehinderte Menschen" stellt keine Diskriminierung wegen des Geschlechts dar.
Leitsatz (redaktionell)
Eine Stellenausschreibung ist geschlechtsneutral formuliert, wenn sie sich in ihrer gesamten Ausdrucksweise an alle Personen unabhängig vom Geschlecht richtet. Dem ist zumindest dann Rechnung getragen, wenn die Berufsbezeichnung in geschlechtsneutraler Form verwendet wird. Es genügt, dass der Gesamtkontext der Ausschreibung ergibt, dass eine Geschlechtsdiskriminierung nicht beabsichtigt ist.
Normenkette
AGG § 15 Abs. 2, § 7 Abs. 1, §§ 11, 22; SGB IX § 164 Abs. 1 S. 4, § 165 Sätze 3-4; AGG § 1
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Entscheidung vom 17.11.2020; Aktenzeichen 4 Ca 47a/20) |
Tenor
Der Antrag der klagenden Partei auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung einer Rechtsanwältin für die Durchführung der Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 17.11.2020 - Az. 4 Ca 47a/20 - wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die klagende Partei begehrt die Gewährung von Prozesskostenhilfe sowie Beiordnung einer Rechtsanwältin zur Durchführung der Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 17.11.2020 (Az. 4 Ca 47a/20). In dem zugrundeliegenden Verfahren stritten die Parteien um Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen von der klagenden Partei behaupteten Benachteiligungen bei einer Bewerbung aufgrund des Geschlechts, der Rasse und wegen der Schwerbehinderung.
Der beklagte Kreis hat am 14.09.2019 eine Stellenausschreibung zur Verstärkung des Teams in der Abteilung "Teilhabe und Eingliederung" des Kreissozialamtes veranlasst (Blatt 17 der Akte). In dieser hieß es auszugsweise:
"Der Kreis S... sucht zur Verstärkung des Teams in der Abteilung "Teilhabe und Eingliederung" des Kreissozialamtes zum nächstmöglichen Zeitpunkt mehrere
Diplom-Sozialpädagog*innen
Diplom-Sozialarbeiter*innen
Diplom-Heilpädagog*innen
Bachelor of Arts Soziale Arbeit
Bachelor of Arts Heilpädagogik
(jeweils EG S 12 TVöD-SuE)
mit staatlicher Anerkennung oder vergleichbarer Qualifikation. Die Arbeitszeit beträgt 39 Stunden/Woche, eine Teilzeitbeschäftigung ist grundsätzlich möglich.
Das Aufgabengebiet umfasst insbesondere die Erstberatung und Teilhabe-/Gesamtplanung im Bereich der Schulbegleitungen und der heilpädagogischen Leistungen für Kinder nach dem SGB XII (ab 2020 nach dem SGB IX). Der Einsatz in einem anderen Aufgabenbereich der Abteilung (insbesondere in der Erstberatung, Teilhabe-/Gesamtplanung für erwachsene Menschen mit Behinderungen nach dem SGB XII bzw. SGB IX) bleibt vorbehalten.
Was wir uns wünschen:
- berufliche Erfahrungen aus dem Bereich der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, soweit vorhanden aus dem Arbeitsbereich mit dem Personenkreis der erwachsenen Menschen mit Behinderung
- Team- und Kritikfähigkeit
- Flexibilität und Belastbarkeit
- Verhandlungsgeschick und sicheres Auftreten.
Näheres entnehmen Sie bitte dem nachstehenden Anforderungsprofil einer Fachkraft (m/w/d).
.......
Schwerbehinderte Bewerber*innen werden bei entsprechender Eignung bevorzugt berücksichtigt."
Die zweigeschlechtlich geborene und durch chirurgische Interventionen schwerbehinderte klagende Partei bewarb sich auf die Stelle durch Schreiben vom 01.10.2019. Im Rahmen ihrer Bewerbung legte sie die Schwerbehinderung und die Zweigeschlechtlichkeit offen. Sie verfügt über einen rechtswissenschaftlichen Hochschulabschluss (Master of Law) vom 08.02.2005 mit Wahlschwerpunkt des Familienrechts.
Die Personalstelle des beklagten Kreises sammelte zunächst alle eingehenden Bewerbungen und leitete sie an das zuständige Fachamt unter Hinweis auf die noch zu beteiligenden Personen weiter. Das Fachamt traf anhand der Qualifikationen eine Vorauswahl und bat um Einladungen zum Vorstellungsgespräch von fünf Personen aus dem Bewerberkreis (Anlage B 3). Die klagende Partei war nicht darunter. Danach wurden mit der Vorauswahl alle Bewerbungsunterlagen vom Personalratsvorsitzenden, der Gleichstellungsbeauftragten und der Schwerbehindertenvertretung gesichtet. Aufgrund eines Einwandes wurden nur vier der fünf vorausgewählten Personen tatsächlich eingeladen. Im Übrigen gab es keine Einwände gegen die Vorauswahl des Fachamtes.
Mit Schreiben vom 18.11.2019 erhielt die klagende Partei eine Absage. Mit Klage vom 13.01.20, bei dem Arbeitsgericht Elmshorn am 14.01.20 eingegangen, verfolgt die kla...