Entscheidungsstichwort (Thema)

Beginn des Arbeitsverhältnisses vor Eintritt einer im Arbeitsvertrag vorgesehenen aufschiebenden Bedingung. Fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schuldirektors wegen eigenmächtiger Änderung der Notenvergabe ohne notwendigen Beschluss der Zeugniskonferenz. Zulässigkeit des Nachschiebens von Kündigungsgründen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nimmt ein Arbeitnehmer mit Wissen und Wollen des Arbeitgebers die Arbeit auf, obwohl eine im Arbeitsvertrag vorgesehene aufschiebende Bedingung nicht eingetreten ist, beginnt das Arbeitsverhältnis regelmäßig mit dem Antritt der Arbeit. Auf die Wirksamkeit der aufschiebenden Bedingung kommt es hierfür nicht an. Maßgeblich ist die tatsächliche Durchführung des Vertrages.

2. Die eigenmächtige Änderung der Notenvergabe durch den Direktor einer Schule ohne den hierfür notwendigen Beschluss der Zeugniskonferenz ist „an sich“ geeignet, eine außerordentliche Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung zu rechtfertigen.

3. § 626 Abs. 2 BGB findet keine Anwendung, wenn nachträglich bekannt gewordene Gründe für eine außerordentliche Kündigung nachgeschoben werden. Dies gilt auch dann, wenn die Kündigung als solche nicht rechtzeitig erklärt worden ist (insoweit Abweichung von BAG 23. Mai 2013 – 2 AZR 102/12). Daher ist ein Nachschieben nachträglich bekannt gewordener Gründe auch dann zulässig, wenn die (nicht durchgreifenden) Gründe, die den Arbeitgeber ursprünglich zum Ausspruch der Kündigung motiviert haben, verfristet waren.

 

Normenkette

BGB § 158 Abs. 1, § 626 Abs. 2; SchulG NRW § 48 Abs. 1, § 49; APO-SI NRW § 7 Abs. 2; ADO NRW § 20 Abs. 1, § 21 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 21.02.2019; Aktenzeichen 11 Ca 3619/18)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21. Februar 2019 – 11 Ca 3619/18 – wird zurückgewiesen.

  • II.

    Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

  • III.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von drei außerordentlichen Kündigungen aus verhaltensbedingten Gründen sowie über Zahlungsansprüche.

Der am 19 geborene Kläger ist beurlaubter Beamter im Kirchendienst des Bistums F . Er hat keine Unterhaltsverpflichtungen. Die Parteien schlossen am 13. Mai 2016 einen Arbeitsvertrag. Danach sollte der Kläger als hauptamtlicher Schulleiter für die von der Beklagten betriebene bilinguale Gesamtschule zu einem monatlichen Bruttogehalt von 9.000 € beschäftigt werden.

Der Arbeitsvertrag sieht eine Befristung für den Zeitraum vom1. August 2016 bis zum 31. Juli 2021 vor. Dem Kläger wurde das Recht eingeräumt, mit einer Frist von sechs Monaten zum 31. Juli eines jeden Jahres zu kündigen. Regelungen zu einer ordentlichen Kündigungsmöglichkeit durch die Beklagte enthält der Vertrag nicht. Zu Beginn des Vertrages ist ausgeführt, dass er unter mehreren „auflösenden Vorbehalten bzw. Bedingungen zur Rechtswirksamkeit“ stehe. Genannt ist unter anderem die Erteilung einer Versorgungslastenzusage durch die zuständige obere Schulaufsichtsbehörde. Zwischen den Parteien ist streitig, ob eine derartige Zusage erfolgt ist. Der Kläger nahm seine Tätigkeit am 1. August 2016 auf.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis dreimal außerordentlich, zunächst am 9. Mai 2018, sodann am 13. Juni 2018 und schließlich am18. Juni 2018. Der Kläger kündigte seinerseits mit Schreiben vom 18. Juni 2018 zum 31. Juli 2018. Am gleichen Tag wies er die Kündigungserklärungen vom9. Mai 2018 und 13. Juni 2018 unter Hinweis auf § 174 BGB zurück. Neben Kündigungsschutz begehrt der Kläger Vergütung für die Monate Juni und Juli 2018 aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs. Die Vergütung ist jeweils am Ersten des laufenden Monats fällig.

Die Beklagte hat in der Kammerverhandlung auf Nachfrage des Gerichts nicht angeben können, welcher Sachverhalt Anlass für die Kündigung vom9. Mai 2018 gewesen ist. Im Prozess hat sich die Beklagte auf Kündigungsgründe berufen, von denen sie erst nach Zugang der Kündigung erfahren haben will.

Ein von der Beklagten geltend gemachter Kündigungsgrund ist die nachträgliche Änderung von Noten durch den Kläger. Nach den einschlägigen schulrechtlichen Bestimmungen entscheidet die Zeugniskonferenz über Zeugnisnoten und gegebenenfalls über deren Änderung.

Der Kläger veranlasste im Schuljahr 2016/2017 Änderungen der Notengebung des Lehrers K im Fach Erdkunde für Schüler der Klassen 10B und 10C. Die Änderungen wurden durch den für den Umgang mit dem Zeugnis- und Notenprogramm zuständigen Lehrer K vollzogen. Eine vorherige oder nachträgliche Befassung der Zeugniskonferenz mit den Änderungen erfolgte nicht. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger die Änderungen mit Herrn K und der stellvertretenden Schulleiterin H abgesprochen hatte.

Die Zeugniskonferenz für das erste Halbjahr des Schuljahres 2016/2017 fand am 30. Januar 2017 statt. Die von Herrn K im Fach Erdkunde für die Schüler der Klasse 10B vorgesehenen Noten wurden von der Zeugniskonferenz gebilligt. Die von dem Kläger ...

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