Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtmäßigkeit einer Weisung betreffend die Voraussetzung der Vorlage eines Nachweises i.S.d. § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG zur Fortsetzung der Tätigkeit in einem Senioren-Wohnheim. Vergütungsansprüche aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Rechtmäßigkeit einer Weisung, nach der eine Fortsetzung der Tätigkeit in einem Senioren-Wohnheim die Vorlage eines Nachweises i.S.d. § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG voraussetzt.

 

Normenkette

IfSG § 20a Abs. 1-2; BGB §§ 615, 611a Abs. 2; GewO § 106

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 01.02.2023; Aktenzeichen 9 Ca 4655/22)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 01.02.2023 - 9 Ca 4655/22 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Zusammenhang mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht aus § 20a IfSG a.F. über Vergütungsansprüche aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

Die Klägerin ist seit dem 15.05.2019 als Altenpflegerin bei der Beklagten beschäftigt. Zuletzt bezog sie bei einem Beschäftigungsumfang von 30 Stunden pro Woche eine monatliche Vergütung in Höhe von ca. 1.571,25 Euro brutto. Die Beklagte betreibt ein Seniorenwohnheim und erbringt ambulante Pflegeleistungen.

Die Klägerin ist nicht gegen das SARS-CoV2-Virus geimpft und verfügte im streitgegenständlichen Zeitraum weder über einen Genesenenstatus noch über eine ärztliche Bescheinigung, nach der sie auf Grund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das SARS-CoV2-Virus geimpft werden könnte.

Mit Rundschreiben vom 05.01.2022 informierte die Beklagte die bei ihr beschäftigten Mitarbeiter über das Inkrafttreten des § 20a IfSG zum 12.12.2021 und wies darauf hin, dass ab dem 16.03.2022 ungeimpfte oder nicht genesene Personen nicht mehr für sie arbeiten dürften, wobei auch der Gehalts-/Lohnfortzahlungsanspruch entfalle.

Die Klägerin, die keinen Immunitätsnachweis erbrachte, erbrachte bis zum 14.02.2022 ihre Arbeitsleistung und wurde ab dem 16.03.2023 von der Beklagten ohne Fortzahlung ihrer Vergütung freigestellt. Nach dem Außerkrafttreten des § 20a IfSG hat die Klägerin ab 01.01.2023 ihre Tätigkeit für die Beklagte wieder aufgenommen.

Mit ihrer Klage vom 28.04.2022 nebst folgenden Klageerweiterungen hat die Klägerin die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien unverändert fortbesteht, sowie Vergütungszahlungen für die Monate März, April, Mai, Juni, September und November 2022 begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, ihre Freistellung sei ungerechtfertigt, da die zuständige Behörde ihr gegenüber kein Beschäftigungsverbot ausgesprochen habe. Zudem habe sie ihre Bereitschaft erklärt, sich arbeitstäglich vor Aufnahme ihrer Tätigkeit einem Coronatest zu unterziehen, wodurch der Schutz der zu pflegenden Personen gewährleistet sei.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien unverändert fortbesteht;
  2. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 1.508,63 € brutto abzüglich bereits erhaltener 473,74 € netto als Arbeitslohn für den Monat März 2022 zu zahlen;
  3. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 1.508,63 € brutto als Arbeitslohn für den Monat April 2022 zu zahlen;
  4. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 1.508,63 € brutto als Arbeitslohn für den Monat Mai 2022 zu zahlen;
  5. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 1.508,63 € brutto als Arbeitslohn für den Monat Juni 2022 zu zahlen;
  6. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 1.508,63 € brutto als Arbeitslohn für den Monat September 2022 zu zahlen;
  7. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 1.508,63 € brutto als Arbeitslohn für den Monat November 2022 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie war der Ansicht, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung zu. Denn da die Klägerin nicht immunisiert sei, habe für sie gem. § 20a Abs. 1 IfSG a.F. ein unmittelbares, gesetzliches Beschäftigungsverbot bestanden. Jedenfalls aber habe sie das ihr zustehende Direktionsrecht rechtswirksam dahingehend ausgeübt, dass zum Schutze der vulnerablen Personengruppen in ihrer Einrichtung nicht immunisierte Beschäftigte ab dem 16.03.2022 nicht mehr hätten tätig werden dürfen. Auch der Gesetzgeber betrachte die Immunisierung der Beschäftigten als unverzichtbares Instrument zum Schutz vulnerabler Menschen; die Interessen einzelner Beschäftigter an einer Nicht-Impfung müssten insoweit zurückstehen. Da die Klägerin zu Recht freigestellt worden sei, stehe ihr auch kein Vergütungsanspruch aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs zu.

Mit Urteil vom 01.02.2023 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Feststellungsantrag sei, da die Beklagte sich zu keinem Zeitpunkt einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin berühmt habe, mangels Vorl...

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