Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses in der Probezeit. Anforderungen an die Beteiligung des Betriebsrats. Zulässigkeit der Kündigung ohne Grund während der Probezeit bei vorangegangener Vorbeschäftigung in einem Praktikum

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses während der Probezeit genügt es den Anforderungen an die Beteiligung des Betriebsrats, wenn mitgeteilt wird, dass der Arbeitnehmer zuvor ein Praktikum absolviert hat und dessen Dauer angegeben wird.

2. Die Zulässigkeit der Vereinbarung einer Probezeit mit der Möglichkeit der grundlosen Kündigung entfällt nicht bei einer Vorbeschäftigung in einem Praktikum.

 

Normenkette

BBiG 2005 §§ 20, 22 Abs. 1; BetrVG § 102 Abs. 1 Sätze 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Entscheidung vom 13.03.2014; Aktenzeichen 1 Ca 1895/13)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.11.2015; Aktenzeichen 6 AZR 844/14)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Paderborn vom 13.03.2014 - 1 Ca 1895/13 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit der Kündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses sowie um einen Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein bundesweit tätiges Einzelhandelsunternehmen mit mehreren 100 Arbeitnehmern. Die Beklagte unterhält zahlreiche Filialen, darunter die Filiale 123 in I. Ein Betriebsrat ist bei der Beklagten gewählt.

Der 1992 geborene und ledige Kläger bewarb sich im Frühjahr 2013 auf eine von der Beklagten angebotene Ausbildungsstelle zum Einzelhandelskaufmann. Anlässlich eines Vorstellungsgesprächs wurde dem Kläger die zum 01. August 2013 beginnende Ausbildung zugesagt, gleichzeitig bot die Beklagte dem Kläger die Überbrückung der Zeit bis zum Ausbildungsbeginn über ein Praktikum an.

In der Zeit vom 11. März 2013 bis zum 31. Juli 2013 absolvierte er bei der Beklagten ein Praktikum auf der Basis eines Praktikantenvertrages vom 27. März 2013, der in § 1 eine Probezeit von zwei Monaten vorsah. Anschließend trat der Kläger in ein Ausbildungsverhältnis mit der Beklagten ein. Rechtsgrundlage dieses Ausbildungsverhältnisses war ein Berufsausbildungsvertrag vom 22. Juni 2013. Dieser sah wiederum eine Probezeit vor, diesmal im Umfang von drei Monaten. Der Kläger bezog eine monatliche Ausbildungsvergütung von 677,- € brutto.

Mit einem Schreiben vom 29. Oktober 2013, dem Kläger am gleichen Tage zugegangen, kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Ausbildungsverhältnis innerhalb der Probezeit zum 29. Oktober 2013. Zu der Kündigung hatte die Beklagte zuvor unter dem 23. Oktober 2013 den Betriebsrat angehört mit der Begründung: "Herr L hat unseren Erwartungen aufgrund fehlender Eigeninitiative nicht entsprochen". Der Betriebsrat hatte der Kündigungsabsicht zugestimmt.

Gegen diese Kündigung wendet sich der Kläger mit der am 15. November 2013 bei Gericht eingegangenen Klage. Gleichzeitig hat der Kläger das Schlichtungsverfahren vor der Industrie- und Handelskammer zu Ostwestfalen in Bielefeld eingeleitet. Das Schlichtungsverfahren ist erfolglos geblieben, da ein vom Schlichtungsausschuss gefällter Versäumnisspruch vom 13. Dezember 2013 von der Beklagten nicht anerkannt worden ist.

Der Kläger hat die Kündigung für unwirksam erachtet.

Zum einen sei die Anhörung des Betriebsrats nicht ordnungsgemäß erfolgt, da zwar das Praktikum erwähnt worden, es aber in keiner Weise mitgeteilt worden sei, welcher Art und welchen Umfangs das Praktikum gewesen sei.

Zum anderen sei das Praktikum mit seiner zweimonatigen Probezeit auch als relevant anzusehen. Gleich zu Beginn des Praktikums habe er eine Schulung im Bereich "Oberbetten" erfolgreich absolviert. Auch in der Folgezeit habe er weitere Schulungen absolviert. Der Sinn und Zweck des Praktikums habe mit dem einer generellen Probezeit übereingestimmt. Die Praktikumszeit sei daher auf die Probezeit des Ausbildungsverhältnisses mit anzurechnen. Die Vereinbarung einer zweiten Probezeit stelle eine unangemessene Benachteiligung seiner Person dar.

Jedenfalls sei die Probezeit entsprechend geltungserhaltend zu reduzieren gewesen, sodass dann keine Kündigung im Rahmen der Probezeit vorgelegen habe.

Der Kläger hat beantragt,

  1. festzustellen, dass das Ausbildungsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 29. Oktober 2013 beendet worden ist,
  2. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen weiter zu beschäftigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Kündigung nach § 22 BBiG als rechtswirksam angesehen. Sie sei innerhalb der Probezeit ausgesprochen worden. Das davor liegende Praktikum stehe der Probezeitvereinbarung nicht entgegen. Ein Praktikum könne ihrer Meinung nach die weiteren aus einem Ausbildungsverhältnis sich ergebenden Verpflichtungen nicht...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge