Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungsunwilligkeit einer Erzieherin i.S.d § 297 BGB bei Covid-19-Testverweigerung. Recht- und Verhältnismäßigkeit der 2. Schul-Hygiene-Covid-19-Verordnung. Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffs in die körperliche Unversehrtheit. Gewährleistung eines funktionierenden Schulsystems während einer Pandemie

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Klägerin war nicht leistungswillig, weil sie sich generell geweigert hat, den gesetzlichen Bestimmungen und den Anordnungen des beklagten Landes Folge zu leisten, Tests auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 durchzuführen bzw. durchführen zu lassen.

2. Im streitgegenständlichen Zeitraum bis März 2022 galt in Berlin die Zweite Verordnung über die Auflagen für den Schulbetrieb während der Covid-19-Pandemie (2. Schul-Hygiene-Covid-19-Verordnung) vom 29. Juli 2021 in ihren jeweiligen Fassungen. Diese war - jedenfalls soweit sie die Testpflicht des in Schulen beschäftigten Personals betrifft - mit höherrangigem Recht, insbesondere auch mit dem Grundgesetz vereinbar. Sie war insoweit nicht unverhältnismäßig.

3. Der mit der Testung verbundene Grundrechtseingriff war gerechtfertigt. Er diente einem legitimen Zweck und war zur Erreichung dieses Zwecks geeignet sowie erforderlich. Er belastete die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch nicht in unzumutbarer Weise; insbesondere war der - geringfügige - Eingriff unter Berücksichtigung der damit verfolgten Ziele nicht unverhältnismäßig im engeren Sinne (vgl. zur Verhältnismäßigkeitsprüfung BVerfG 27. April 2022 - 1 BvR 2649/21, Rn. 149).

 

Leitsatz (redaktionell)

Nach Art. 7 Abs. 1 GG hat der Staat die Aufgabe, ein Schulsystem zu gewährleisten, das allen Kindern und Jugendlichen gemäß ihren Fähigkeiten die dem heutigen gesellschaftlichen Leben entsprechenden Bildungsmöglichkeiten eröffnet. Die Dynamik des Infektionsgeschehens ließ die Anordnung zur Durchführung von Covid-19-Tests bei Erzieherinnen und Erziehern in der Schule zur Durchbrechung der exponentiellen Ausbreitung daher als dringlich erscheinen.

 

Normenkette

BGB §§ 615, 293; IfSG § 28a; BGB § 297; IfSG § 28b; GG Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 7 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1; BGB § 618 Abs. 1; GewO § 106 S. 2; BaSchMV § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 1; 2. SchulHygCoV-19-VO Fassung: 2021-07-29

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 07.03.2022; Aktenzeichen 60 Ca 13107/21)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 7. März 2022 - 60 Ca 13107/21 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche, die die Klägerin geltend macht, obwohl sie im bestehenden Arbeitsverhältnis ihrer Tätigkeit als Erzieherin nicht nachgekommen ist.

Die Klägerin war seit 1991 bei dem beklagten Land beschäftigt. Zuletzt ist sie als Erzieherin in einer Gemeinschaftsschule eingesetzt gewesen. Im Jahr 2021 war die Klägerin zunächst bis zum 20. Juli 2021 krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Daran schloss sich bis zum 3. August 2021 ein Urlaub an.

Am 4. August 2021 erklärte die Klägerin gegenüber der Schulleitung, dass für Sie persönlich Tests, die Beaufsichtigung der durch Schülerinnen und Schüler durchzuführenden Tests und eine Impfung gegen Covid-19 nicht in Betracht kämen. Auch sei sie auf Basis eines aktuellen ärztlichen Attests vom Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes befreit. Das beklagte Land wies die Klägerin sodann mit Schreiben vom 11. August 2021 schriftlich auf die Testpflichten und deren gesetzliche Grundlagen hin. Das hat an der fehlenden Bereitschaft der Klägerin, die Arbeit zu den seitens des beklagten Landes erwarteten Bedingungen anzutreten, nichts geändert. Vielmehr hat sie darauf hingewiesen, dass sie Strafanzeige wegen massiver und mutwilliger Gesundheitsgefährdung stellen werde, wenn das beklagte Land auf die Vorlage von Testnachweisen bestehen sollte. Das beklagte Land lehnte die Annahme der Tätigkeit durch die Klägerin ab, nachdem diese auch in der Folgezeit nicht bereit war, sich testen zu lassen.

Mit Schreiben vom 23. August 2021 ließ die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten gegenüber dem beklagten Land das Folgende mitteilen:

"Selbstverständlich bietet meine Mandantin ihre Arbeitskraft gemäß den arbeitsvertraglichen Bedingungen an. Wie Ihnen meine Mandantin bereits mitteilte, sind weder Tests noch Masken im Hinblick auf das Coronavirus von irgendeiner medizinischen Relevanz. Dies wurde mittlerweile Nichtsnutzen durch unzählige Studien, sondern auch durch das tatsächliche Erlebte belegt.

Wie Ihnen auch bekannt sein dürfte, liegen zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Eindämmungsverordnung und der §§ 28 a und b InfSchG diverse noch nicht beschiedene Klagen dem Bundesverfassungsgericht vor. Da mittlerweile spätestens seit dem Bericht des Bundesrechnungshofs vom 9. Juni 2021 bekannt ist, dass die Grundlage der Eindämmungsmaßnahmen, nämlich die befürchtete Überlastung der Intensivstationen, auf dreisten Lügen von führenden Universitätsmedizinern und Krankenhau...

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