Rz. 13

§ 573 Abs. 2 Nr. 1 setzt ein Verschulden des Mieters voraus; er hat Vorsatz und jede Fahrlässigkeit i. S. v. § 276 zu vertreten. Bei Schuldunfähigkeit des Mieters entfällt die Tatbestandsvoraussetzung des Verschuldens, sodass eine Kündigung über § 573 Abs. 2 Nr. 1 dann ausgeschlossen ist. Es verbleibt jedoch die ordentliche Kündigungsmöglichkeit nach § 573 Abs. 1 sowie das Recht zur fristlosen Kündigung gemäß den §§ 543, 569, wobei die Frage des Verschuldens hier keine Rolle spielt (vgl. BGH, Urteil v. 8.12.2004, VIII ZR 218/03, GE 2005, 296).

 
Hinweis

Vorübergehender Geldmangel

Ein schuldloser vorübergehender Geldmangel reicht für eine darauf gestützte Kündigung nicht aus (BGH, Urteil v. 16.2.2005, VIII ZR 6/04, ZMR 2005, 356).

Der Mieter hat Zahlungsverzögerungen aufgrund unverschuldeter wirtschaftlicher Schwierigkeiten (Arbeitslosigkeit, Krankheit) ebenso wenig zu vertreten wie unvorhersehbare wirtschaftliche Engpässe (KG, Urteil v. 24.7.2008, 8 U 26/08, GE 2008, 1327). Der Mieter muss jedoch substantiiert darlegen, dass er zur rechtzeitigen Zahlung der Miete nur aufgrund des Eintritts einer unvorhersehbaren wirtschaftlichen Notlage außerstande war (BGH, Beschluss v. 20.7.2016, VIII ZR 238/15, WuM 2016, 682). Bei einer Mietermehrheit kommt es darauf an, ob sämtliche Mieter die Miete nicht zahlen konnten, was sie darzulegen haben (LG Berlin, Beschluss v. 14.3.2017, 67 S 14/17, GE 2017, 476).

 

Rz. 13a

Auch ein entschuldbarer Irrtum über die Zahlungspflicht (LG Berlin, Hinweisbeschluss vom 16.6.2022, 67 S 72/22, WuM 2022, 534; LG Berlin, Urteil v. 22.2.2007, 62 S 277/05, GE 2007, 1486), etwa bei einer Minderung der Miete (LG Krefeld, Urteil v. 28.11.2012, 2 S 33/12, ZMR 2013, 354; LG Bückeburg, Urteil v. 2.12.2010, 1 S 9/10, ZMR 2012, 623; LG Berlin, Urteil v. 14.7.2009, 65 S 114/06, GE 2009, 1126; LG Berlin, Urteil v. 17.3.2009, 65 S 54/08, GE 2009, 1126; AG Berlin-Köpenick, Urteil v. 14.10.2010, 13 C 156/09, GE 2010, 1627), die sich erst nach einer gerichtlichen Beweisaufnahme als unberechtigt erweist, oder bei Kürzung einer preisrechtlich fragwürdigen Miete (LG Berlin, Urteil v. 17.3.1983, 61 S 165/82, WuM 1983, 343) schließen Verzug und damit die Kündigung aus.

Zahlt der Mieter jedoch trotz der Vereinbarung einer Minderungsquote gar keine Miete mehr, ist der Vermieter zur – sogar fristlosen – Kündigung berechtigt, falls ein erheblicher Rückstand vorliegt und kein Fall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gegeben ist (LG München I, Urteil v. 9.12.2011, 14 S 9823/11, ZMR 2012, 192).

Ein der Kündigung wegen Zahlungsverzugs entgegenstehender unverschuldeter Rechtsirrtum liegt nur vor, wenn der Schuldner die Rechtslage unter Einbeziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sorgfältig geprüft hat und bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte (BGH, Urteil v. 30.4.2014, VIII ZR 103/13, ZMR 2014, 710; BGH, Urteil v. 11.7.2012, VIII ZR 138/11, ZMR 2013, 177; BGH, Urteil v. 25.10.2006, VIII ZR 102/06, WuM 2007, 24; LG Berlin, Beschluss v. 24.7.2019, 65 S 73/19, ZMR 2019, 866).

Mindert ein Mieter wegen Schimmelbildung nach einer Wärmedämmung die Miete, so ist ihm eine fahrlässige Fehleinschätzung nicht zur Last zu legen, wenn er über 30 Jahre in der Wohnung gewohnt hat, ohne dass es zu Feuchtigkeitsschäden und Schimmelbildungen gekommen ist, und wenn deren Ursache nicht ohne Weiteres zu erkennen ist (AG Kassel, Urteil v. 11.3.2014, 451 C 1403/13, juris).

Die andauernde und trotz wiederholter Abmahnung des Vermieters fortgesetzte verspätete Entrichtung der Mietzahlung durch den Mieter berechtigt zur ordentlichen Kündigung wegen Pflichtverletzung, wenn dem Mieter (nur) Fahrlässigkeit zur Last fällt, weil er aufgrund eines vermeidbaren Irrtums fälschlich davon ausgeht, dass er die Miete erst zur Monatsmitte zahlen müsse (BGH, Urteil v. 1.6.2011, VIII ZR 91/10, WuM 2011, 469); an das Vorliegen eines unverschuldeten Rechtsirrtums sind strenge Maßstäbe anzulegen (vgl. BGH, Urteil v. 25.10.2006, VIII ZR 102/06, WuM 2007, 24).

Wird die Miete wegen irrtümlich angenommener Minderung infolge regelmäßiger Vermietung eines Teils der Wohnungen im Haus an Touristen in erheblichem Umfang (hier: Gesamtrückstand von mehr als 2 Monatsmieten) einbehalten, ist der Vermieter ebenfalls zur Kündigung berechtigt (LG Berlin, Urteil v. 28.1.2011, 63 S 240/10, GE 2011, 755).

 

Rz. 13b

Der Mieter kommt auch dann nicht in einen kündigungsbegründenden Zahlungsverzug, wenn er nach dem Tod seines Vermieters keine Gewissheit darüber erlangen kann, wer Gläubiger der Mietforderungen geworden ist (BGH, Urteil v. 7.9.2005, VIII ZR 24/05, ZMR 2006, 26), der Mieter die Miete wegen berechtigter Zweifel an der Eigentümerschaft des Vermieters nicht entrichtet hat (AG Gelsenkirchen, Urteil v. 7.11.2011, 3a C 299/11, WuM 2012, 204) oder der Zahlungsrückstand darauf beruht, dass der Vermieter eine falsche Kontonummer für Überweisungen angegeben (LG Berlin, Urteil v. 7.3.2005, 62 S ...

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