Entscheidungsstichwort (Thema)

Werbung zum Schwangerschaftsabbruch auf Internetseite

 

Orientierungssatz

Orientierungssätze:

1. Ein Arzt, der auf seiner Internetseite in dem angebotenen Leistungsspektrum auf die Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen unter Angabe der verwendeten Behandlungsmethode und dem Zusatz "in geschützter Atmosphäre" hinweist, macht sich auch auf der Grundlage des neu eingefügten § 219a Abs. 4 StGB nach § 219a Abs. 1 StGB wegen Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft strafbar.

2. Das Tatbestandsmerkmal um seines Vermögensvorteils willen im Sinne von § 219a Abs. 1 StGB ist zwar im Sinne einer Bereicherungsabsicht zu verstehen. Die Ausgestaltung von § 219a Abs. 1 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt ist dabei aber zu berücksichtigen.

3. Bietet ein Arzt fremde Schwangerschaftsabbrüche an, liegt eine Bereicherungsabsicht im Sinne von § 219a Abs. 1 StGB nicht auf der Hand. In so gelagerten Fällen bedarf es für das Bejahen dieses Merkmals darüber hinausgehender Feststellungen, die ein eigenes wirtschaftliches Interesse belegen.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 14.06.2019; Aktenzeichen (253 Ds) 253 Js 654/18 (143/18))

 

Tenor

1. Die Revision der Angeklagten Dr. G. gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 14. Juni 2019 wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.

Die Angeklagte hat die Kosten ihrer Revision zu tragen.

2. Auf die Revision der Angeklagten Dr. W. wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 14. Juni 2019, soweit es diese Angeklagte betrifft, einstimmig gemäß § 349 Abs. 4 StPO mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

1. Das Amtsgericht Tiergarten hat die Angeklagten am 14. Juni 2019 wegen Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft nach § 219a Abs. 1 Nr. 1 erster Fall StGB jeweils zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 100,- Euro verurteilt. Nach den getroffenen Feststellungen betrieben die Angeklagten - beide sind Gynäkologinnen - in B. eine Gemeinschaftspraxis. Dazu heißt es im amtsgerichtlichen Urteil weiter:

"Beide betrieben zumindest vom 02.02.2018 bis zum 12.07.2018 unter www.xxxx.de eine Internetseite, die der Öffentlichkeit frei zugänglich war. Unter der Rubrik "Leistungsspektrum - Sie sind schwanger ..." stand unter anderem auch: "Auch ein medikamentöser, narkosefreier Schwangerschaftsabbruch in geschützter Atmosphäre gehört zu unseren Leistungen."

Beide Angeklagten standen im Impressum der Internetseite."

Zur Beweiswürdigung hat das Amtsgericht ausgeführt:

"Die Angaben zu den persönlichen Verhältnissen ergeben sich aus den Angaben der Angeklagten selbst, daraus auch, dass nur die Angeklagte Dr. G. Schwangerschaftsabbrüche vornimmt.

Vom zu beurteilenden Inhalt der Internetseite hat sich das Gericht durch Verlesen eines Screenshots Überzeugung verschafft. Daraus ergab sich auch, dass bei der damaligen Seite beide Angeklagte im Impressum verantwortlich für die Seite zeichneten.

Durch Verlesen des Screenshots der aktuellen Seite war festzustellen, dass nunmehr nur noch als Leistungsspektrum der Angeklagten Dr. G. ein nakosefreier, medikamentöser Schwangerschaftsabbruch angeboten wird und nur Frau Dr. G. im Impressum steht."

Nach Auffassung des Amtsgerichts haben die Angeklagten mit ihrem Verhalten den Tatbestand des gemeinschaftlichen Werbens für den Abbruch der Schwangerschaft nach §§ 219a Abs. 1, 25 Abs. 2 StGB verwirklicht. Dazu hat es festgestellt, dass sie "durch die öffentlich zugängliche Internetseite [...] eigene (Frau Dr. G.) bzw. fremde (Frau Dr. W.) Dienste zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs angeboten" haben. Der auf der Internetseite öffentlich zugänglich gemachte Text verwirkliche das Tatbestandsmerkmal des Anbietens, das auch dann vorliege, wenn der Erklärung kein anpreisender Werbeeffekt innewohne. Auch hätten beide Angeklagten ihres Vermögensvorteils wegen gehandelt. Dazu heißt es in den Urteilsgründen:

"Die Angeklagte Dr. G. erhält für einen durchgeführten Schwangerschaftsabbruch das dafür vorgesehene ärztliche Honorar. [...] Aber auch die Angeklagte Dr. W. hat ein Interesse an den finanziellen Zuwendungen, die die Mitangeklagte erhält, denn beide teilen sich zumindest die Praxisräume und das Personal, so dass die Einnahmen der einen Angeklagten zumindest indirekt auch der anderen zugutekommen."

Weiter hat das Amtsgericht ausgeführt, das Handeln der Angeklagten stelle auch keine nach § 219a Abs. 4 StGB von der Strafbarkeit ausgenommene Handlung dar. Für eine tatbestandliche Einschränkung durch § 219a Abs. 4 StGB sei im vorliegenden Fall kein Raum, weil danach allein die Mitteilung erlaubt sei, dass Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen, nicht aber, wie diese vorgenommen würden.

Im Rahmen der Strafzumessung hat das Amtsgericht zu Gunsten der Angeklagten deren "grundsätzliches Geständnis" gewürdigt.

Zur festgesetzten Geldstrafe hat das Amtsgericht ausgefüh...

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