Entscheidungsstichwort (Thema)

Verspäteter Einspruch gegen erstinstanzliches Versäumnisurteil. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist gegen ein Versäumnisurteil

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Rechtsanwalt darf ein Empfangsbekenntnis über die Zustellung eines Urteils erst unterzeichnen und zurückgeben, wenn in der Handakte der Ablauf der Rechtsmittelfrist vermerkt und die Frist notiert ist.

2. Im Rahmen eines Wiedereinsetzungsantrags ist die Einrichtung und Anwendung einer derartigen Fristenkontrolle darzulegen.

 

Normenkette

ZPO § 341 Abs. 1 Nr. 2, §§ 233, 85 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 29.04.2011; Aktenzeichen 7 Ca 2327/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 29. April 2011 - 7 Ca 2327/10 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsrechtszuges haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten auch im Berufungsrechtszug um den Anspruch der Klägerin auf Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes für die Zeit von Januar 2005 bis Juli 2006 und in diesem Zusammenhang um die Zulässigkeit des Einspruchs der Beklagten gegen ein erstinstanzliches Versäumnisurteil, mit welchem der Zahlungsklage der Klägerin gegen die Beklagten stattgegeben worden ist.

Die Klägerin ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes.

Die Beklagten unterhielten im streitgegenständlichen Zeitraum als Gesellschaft bürgerlichen Rechts einen Verputzerbetrieb, der dem räumlichen und betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) unterfällt.

Mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2009, der am Folgetag bei dem Arbeitsgericht Wiesbaden eingegangen und den Beklagten am 6. und 9. Januar 2010 zugestellt worden ist, hat die Klägerin Beitragszahlungsklage erhoben.

Sie hat behauptet, Ermittlungen des Hauptzollamtes Braunschweig zufolge seien im streitigen Zeitraum von den Beklagten Schwarzlohnzahlungen an deren gewerbliche Arbeitnehmer geleistet worden. Ausgehend von im Jahr 2005 gezahlten € 133.005,11 und einem Beitragssatz von 19,5% sowie geleisteten Lohnzahlungen in Höhe von € 33.447,31 und einem Beitragssatz von 19,2% ergebe sich die Zahlungsforderung in Höhe von € 32.356,90.

Im Gütetermin am 9. Juli 2010 ist für die Beklagten der Beklagte zu 1. erschienen und hat erklärt, er vertrete auch den Beklagten zu 2. (Bl. 32 d.A.). Das Arbeitsgericht hat im Gütetermin den Beschluss zur Anberaumung des Kammertermins am 10. November 2010 verkündet. Im Kammertermin am 10. November 2010 ist für die Beklagten niemand erschienen. Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Versäumnisurteil vom selben Tag stattgegeben (Bl. 36 d.A.). Dieses mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene Versäumnisurteil ist dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 15. November 2010 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden (Bl. 37 d.A.). Mit Schriftsatz vom 25. November 2010, der am selben Tag per Telefax bei dem Arbeitsgericht eingegangen ist, haben die Beklagten gegen das Versäumnisurteil Einspruch eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Sie haben vorgetragen, Herrn Rechtsanwalt A sei die Akte wegen einer notierten Vorfrist erstmals am 25. November 2010 vorgelegt worden. Erst in diesem Zeitpunkt sei festgestellt worden, dass die Einspruchsfrist durch die ansonsten zuverlässige, gewissenhafte und geschulte Rechtsanwaltsfachangestellte, Frau B, als Zweiwochenfrist notiert worden sei. Die Angestellte habe dabei entgegen der anwaltlichen Anweisung gehandelt, wonach alle rechtsmittelfähigen Entscheidungen auf ihre Rechtsmittelbelehrungen zu untersuchen und zu prüfen seien. Die im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu beachtenden Fristen seien der Angestellten bekannt.

Außerdem haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit weiterem Schriftsatz vom 25. November 2010 unter Bezugnahme auf den Wiedereinsetzungsantrag mitgeteilt, dass die gemachten Angaben anwaltlich versichert würden. Auf den Inhalt beider Schriftsätze der Beklagten (Bl. 38 - 41 und 49 d.A.) sowie die als Anlage beigefügte eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Beklagten, B, wird Bezug genommen (Bl. 52 d.A.). Das Arbeitsgericht hat den Beklagten mit Beschluss vom 7. und Schreiben vom 16. Dezember 2010, die dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 20. Dezember 2010 zugestellt worden sind (Bl. 59 d.A.), wegen der Verspätung des Einspruchs sowie weiterer Aspekte richterliche Hinweise erteilt.

Mit Urteil vom 29. April 2011 hat das Arbeitsgericht ohne mündliche Verhandlung durch seine Vorsitzende den Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 10. November 2010 als unzulässig verworfen. Es hat angenommen der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil sei nicht rechtzeitig erfolgt. Eine Wiederei...

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