1 Leitsatz

Erstreckt sich eine Tiefgarage als rechtmäßiger Überbau auf andere Grundstücke, führt allein die bautechnische und statische Verbindung der Tiefgarage mit auf den überbauten Grundstücken aufstehenden Gebäuden nicht dazu, dass die Tiefgarage kein einheitliches Gebäude ist. Auch Verbindungen der auf den überbauten Grundstücken aufstehenden Gebäude mit dem Tiefgaragenkörper durch Treppenhäuser, Aufzugsschächte, Fluchtwege und der Haustechnik dienende Versorgungseinrichtungen oder von den anderen Grundstücken ausgehende weitere Zufahrten stehen der Einordnung der Tiefgarage als einheitliches Gebäude nicht entgegen.

2 Normenkette

§§ 5 Abs. 4, 9 Abs. 2 WEG

3 Das Problem

Die eigentumsrechtliche Zuordnung einer über die Grundstücksgrenze errichteten Tiefgarage mit aufstehender Bebauung wird unterschiedlich beurteilt: Zum Teil wird angenommen, eine Tiefgarage, die sich im Wege des rechtmäßigen Überbaus auf andere Grundstücke erstrecke, könne dem Stammgrundstück nicht als wesentlicher Bestandteil zugeordnet werden, wenn auf den überbauten Teilen des Tiefgaragenkörpers ein Gebäude errichtet sei. Dann könne nämlich die Tiefgarage nach § 93 BGB nicht Gegenstand besonderer Rechte sein. Andere halten die sachenrechtliche Eigenständigkeit einer Tiefgarage im Verhältnis zu einer aufstehenden Bebauung für möglich.

4 Die Entscheidung

Der BGH schließt sich der zweiten Meinung an! Maßgebend dafür, ob eine einheitliche Sache vorliege, sei die Verkehrsanschauung. Fehle diese oder könne sie nicht festgestellt werden, gehe es nach der natürlichen Betrachtungsweise eines verständigen Beobachters. Dies gelte auch bei Gebäuden. Nach der Verkehrsanschauung stünden Verbindungen der auf den überbauten Grundstücken aufstehenden Gebäude mit dem Tiefgaragenkörper durch Treppenhäuser, Aufzugsschächte, Fluchtwege und der Haustechnik dienende Versorgungseinrichtungen oder von den anderen Grundstücken ausgehende weitere Zufahrten der Einordnung der Tiefgarage als einheitliches Gebäude nicht entgegen. Bleibe die Tiefgarage als Ganzes über eine Zufahrt von dem Stammgrundstück aus erreichbar, dienten solche Verbindungen primär den aufstehenden Gebäuden und ihrem Anschluss an die Tiefgarage.

5 Hinweis

Problemüberblick

Einer Teilung nach § 8 Abs. 1 WEG steht nicht entgegen, dass sich die Teilungserklärung auf Räume bezieht, die zwar in dem Bereich eines anderen Grundstücks gelegen, aber nach §§ 93, 94 BGB wesentliche Bestandteile des Stammgrundstücks sind. Ein Überbau ist wesentlicher Bestandteil des Stammgrundstücks, wenn er mit Zustimmung der Nachbarn errichtet wurde. Eine grundstücksübergreifende Tiefgarage muss dann mit dem in Teileigentum aufgeteilten Gebäude allerdings eine Einheit bilden. Dieser Einheit steht, wie der BGH für die Praxis klärt, nicht entgegen, dass die Tiefgarage (auch) auf dem Nachbargrundstück bebaut ist. Es komme insoweit auf die Verkehrsanschauung an. Die Ausgangsinstanz meinte hingegen, die Tiefgarage werde nach §§ 93, 94 BGB ein wesentlicher Bestandteil des Gebäudes auf dem Nachbargrundstück und könne daher nicht zugleich im Eigentum der Eigentümer des in Wohnungseigentum aufgeteilten Grundstücks stehen. So kann man das auch sehen.

Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?

Erstreckt sich eine Tiefgarage, die zur Wohnungseigentumsanlage gehört, unter ein anderes Grundstück, sind häufig Absprachen und Verträge mit dem Grundstücksnachbarn notwendig. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wird dabei, geht es nicht um Sachenrecht, von der Verwaltung vertreten. Ob die Absprachen und Verträge im Innenverhältnis § 27 Abs. 1 WEG unterfallen, ist eine Frage des Einzelfalls.

6 Entscheidung

BGH, Beschluss v. 15.6.2023, V ZB 12/22

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