BGH setzt der Prüfungskompetenz klare Grenzen

Die Praxis ist immer wieder mit der Konstellation konfrontiert, dass Rechtspfleger trotz eines titulierten Anspruchs materiell-rechtliche Fragestellungen prüfen wollen, die nach der gesetzlichen Systematik allein vom Schuldner mit der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO zu verfolgen sind. So wollen Rechtspfleger immer wieder Zahlungsverrechnungen nach §§ 366, 367 BGB prüfen, obwohl der BGH (15.6.2016 – VII ZB 58/15) dem schon lange eine Absage erteilt hat.

So erstaunt im vorliegenden Fall nur die lange Dauer des Verfahrens, nicht aber das Ergebnis. Die Frage nach der materiell-rechtlichen Forderungsinhaberschaft, mithin der Aktivlegitimation, ist keine vollstreckungsrechtliche Fragestellung. Sie zu beantworten kann im Einzelfall auch mit erheblichen rechtlichen Fragen verbunden sein, die der Gesetzgeber mit § 750 ZPO gerade der vollstreckungsrechtlichen Beurteilung entziehen will.

Vollstreckungsorgane sind nicht der Sachwalter des Schuldners

Der BGH macht mit seiner Entscheidung zugleich deutlich, dass die Vollstreckungsorgane, repräsentiert durch die Rechtspfleger und die Gerichtsvollzieher, keine Sachwalter der Schuldnerinteressen sind. Sie sind auf die formale Prüfung der Vollstreckungsvoraussetzungen beschränkt, während es dem Schuldner obliegt, seine Rechte in materiell-rechtlicher Hinsicht wahrzunehmen und im Wege der Vollstreckungsgegenklage durchzusetzen, wenn der Gläubiger auf vorherige Einwendungen nicht reagiert. Der Schuldner hat über die Beratungshilfe und Rechtsantragsstellen der Amtsgerichte dabei die Möglichkeit, sich zu informieren, auch wenn seine finanziellen Möglichkeiten beschränkt sind. Für eine zumindest nicht offensichtlich aussichtslose Klage kann er auch Prozesskostenhilfe beanspruchen.

Tatsächlich zeigt sich, dass Schuldner an solchen Verfahren gar kein Interesse haben, weil sie ihre Rechte gar nicht beeinträchtigt sehen. Das Einzige, was auf diese Weise erreicht wird, ist eine zunehmende Frustration über die staatliche Zwangsvollstreckung bei den Gläubigern und ihren Bevollmächtigten und ein Ausweichen auf andere Formen der Forderungseinziehung.

FoVo 4/2024, S. 71 - 75

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge