Der im FamFG grundsätzlich nach § 26 FamFG geltende Amtsermittlungsgrundsatz wird durch § 113 Abs. 1 Satz 1 FamFG zunächst ausgeschlossen und dann in der leicht eingeschränkten Form des § 127 FamFG wieder eingeführt, da wegen des besonderen staatlichen Schutzes der Ehe nach Art. 6 Abs. 1 GG und den Auswirkungen dieses Rechtsstatus auf Dritte keine Dispositionsfreiheit der Beteiligten besteht.[1] Während § 127 Abs. 2 FamFG den Amtsermittlungsgrundsatz in Scheidungs- und Eheaufhebungsverfahren auf eheerhaltende Tatsachen beschränkt,[2] müssen nach § 127 Abs. 3 FamFG Tatsachen für Härtefalleheerhaltungsgründe nach § 1568 Alt. 2 BGB beigebracht werden.[3] Gegenstand der Amtsermittlungen sind die rechterheblichen Tatsachen des materiellen Rechts, also vor allem die Trennungsvoraussetzungen und -fristen.[4] Hier gelten die oben zu § 26 FamFG dargestellten Grundsätze, so dass dem Gericht lediglich Grenzen bei der Ermittlung der rechtserheblichen Tatsachen durch den Verfahrensgegenstand und die Privat- und Intimsphäre der Beteiligten gesetzt sind.[5] Bei schlüssigen und übereinstimmend vorgetragenen Scheidungsvoraussetzungen besteht deshalb selbst bei noch gemeinsamer Wohnung keine Veranlassung für weitere Ermittlungen.[6] Bei Zweifeln am Vorliegen der Scheidungsvoraussetzungen kann das Ruhen des Verfahrens bis zu deren Vorliegen auf beiderseitigen Antrag nach §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 251 ZPO angeordnet werden.[7]

[1] BeckOK FamFG/Weber, 47. Ed. 1.8.2023, § 127 Rn 1; Sternal/Weber, 21. Aufl. 2023, FamFG § 127 Rn 4.
[2] Die Vorschrift erscheint kurios: es geht darum, dass ehevernichtende Tatsachen dann nicht berücksichtigt werden dürfen (gemeint ist ein echtes Verwertungsverbot), wenn der Scheidungsantragsteller (nicht der Antragsgegner!) widerspricht. Der Scheidungsantragsteller soll die Gründe bestimmen können, auf welche die Ehescheidung gestützt wird, vgl. MüKo-FamFG/Lugani, 3. Aufl. 2018, § 127 Rn 19 f.; Musielak/Borth/Frank/Borth, 7. Aufl. 2022, FamFG, § 127 Rn 9 mit Verweis auf die geringe praktische Relevanz der Vorschrift.
[3] Der betroffene Ehegatte soll selbst entscheiden können, ob er aufgrund von Härtefallgründen nicht geschieden werden will. Dient die Aufrechterhaltung der Ehe dagegen dem Interesse minderjähriger Kinder (§ 1568 Alt. 1 BGB), so soll der Amtsermittlungsgrundsatz uneingeschränkt gelten, vgl. MüKo-FamFG/Lugani, 3. Aufl. 2018, § 127 Rn 23.
[4] MüKo-FamFG/Lugani, 3. Aufl. 2018, § 127 Rn 11 und 13; Johannsen/Henrich/Althammer/Markwardt, 7. Aufl. 2020, FamFG, § 127 Rn 2; Johannsen/Henrich/Althammer/Markwardt, 7. Aufl. 2020, FamFG § 127 Rn 9.
[5] MüKo-FamFG/Lugani, 3. Aufl. 2018, § 127 Rn 7. Beweisanträge bleiben daneben allerdings möglich.
[6] Diese werden ohnehin kaum zu widerlegen sein, vgl. BeckOGK/Coester-Waltjen, 1.8.2023, BGB § 1564 Rn 167. Anders kann dies sein, wenn z.B. aus Kindschaftsverfahren gerichtsbekannt ist, dass die Voraussetzungen der Trennung nicht vorliegen.
[7] MüKo-BGB/Weber, 9. Aufl. 2022, § 1565 Rn 74.

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