Fahndungsmaßnahmen/Öffentlichkeitsfahndung [Rdn 2414][Autor]

 

 

 

Das Wichtigste in Kürze:

1. Im StVÄG 1999 hat der Gesetzgeber eine umfassende Regelung von Fahndungsmaßnahmen vorgenommen.
2. Die StPO unterscheidet zwischen der Öffentlichkeitsfahndung sowie der Fahndung, die sich nicht an die Öffentlichkeit richtet.
3. Die (allgemeine) Ausschreibung zur Festnahme nach § 131 setzt nach Abs. 1 das Vorliegen eines HB bzw. eines Unterbringungsbefehls voraus.
4. In § 131a Abs. 1 wird die Ausschreibung eines Beschuldigten oder Zeugen zur Aufenthaltsermittlung geregelt.
5. Die Zulässigkeit einer "Aufklärungsfahndung" und einer Identitätsfahndung ist in § 131b geregelt.
6. Für Rechtsmittel gelten die allgemeinen Regeln.
7. BVV werden bisher nur in der Literatur diskutiert.
 

Rdn 2415

 

Literaturhinweise:

Brodersen, Das Strafverfahrensänderungsgesetz 1999, NJW 2000, 2537

Gerhold Möglichkeiten und Grenzen der sogenannten "Facebookfahndung", ZIS 2015, 156

Hilger, Zum Strafverfahrensrechtsänderungsgesetz 1999 (StVÄG 1999) – 1. Teil, NStZ 2000, 561

ders., StVÄG 1999 und Verteidigung, in: Festschrift für Peter Rieß, 2002, S. 171

Jung, Verteidigung gegen eine Ausschreibung bei Interpol, StraFo 2012, 482

Irlbauer, Gehört der Facebook-Fahndung die Zukunft?, Krim 2012, 764

Pätzel, Das Internet als Fahndungshilfsmittel der Strafverfolgungsbehörden, NJW 1997, 3131

Ranft, Fahndung nach Beschuldigten und Zeugen gemäß dem StVÄG 1999, StV 2002, 38

Schiffbauer, Steckbrief 2.0 – Fahndungen über das Internet als rechtliche Herausforderung, NJW 2014, 1052

Seitz, Strafverfolgungsmaßnahmen im Internet, 2005

Soiné, Fahndung via Internet – 1. Teil, NStZ 1997, 166

ders., Fahndung via Internet – 2. Teil, NStZ 1997, 321

ders., Strafverfahrensänderungsgesetz 1999, Teil 1: Überblick über die für die polizeiliche Praxis wichtigsten Vorschriften, Krim 2001, 173

ders., Strafverfahrensänderungsgesetz 1999, (II). Krim 2001, 245

ders., Die Fahndungsvorschriften nach dem Strafverfahrensänderungsgesetz 1999, JR 2002, 137

s. i.Ü. die Hinw. bei → Netzfahndung/Datenspeicherung, Teil N Rdn 3223, und bei → Rasterfahndung, Teil R Rdn 3925.

 

Rdn 2416

1. Nachdem früher der Bereich der Fahndung in der StPO nur lückenhaft normiert war, hat der Gesetzgeber mit dem StVÄG 1999 eine umfassende(re) Regelung von Fahndungsmaßnahmen vorgenommen, die insbesondere im Hinblick auf die Einschaltung öffentlicher Kommunikationsmittel, wie z.B. das Internet, erforderlich war (Soiné JR 2002, 137; [auch krit.] Ranft StV 2002, 38; dazu noch Teil F Rdn 2421). Die StPO enthält seitdem in den §§ 131 – 131c folgenden Regelungskatalog:

§ 131 betrifft die Fahndung mit dem Ziel der Festnahme (dazu Teil F Rdn 2418 ff.).
§ 131a betrifft die Fahndung mit dem Ziel der Aufenthaltsermittlung (dazu Teil F Rdn 2424 ff.).
§ 131b betrifft die Fahndung mit dem Ziel der Identitätsfeststellung (dazu Teil F Rdn 2430 ff.).
 

☆ Die Vorschriften haben in der Praxis inzwischen eine größere Bedeutung, nachdem Fahndungen immer häufiger auch über soziale Netzwerke durchgeführt werden (dazu Schiffbauer NJW 2014, 1052 ff.; zu Möglichkeiten und Grenzen der sog. Facebookfahndung Gerhold ZIS 2015, 156 ff.; ­ Irlbauer Krim 2012, 764; Meyer-Goßner/Schmitt , § 131 Rn 3a m.w.N.).soziale Netzwerke durchgeführt werden (dazu Schiffbauer NJW 2014, 1052 ff.; zu Möglichkeiten und Grenzen der sog. "Facebookfahndung" Gerhold ZIS 2015, 156 ff.; ­Irlbauer Krim 2012, 764; Meyer-Goßner/Schmitt, § 131 Rn 3a m.w.N.).

 

Rdn 2417

2. Die StPO unterscheidet zwischen der Öffentlichkeitsfahndung sowie der Fahndung, die sich nicht an die Öffentlichkeit richtet. Diese darf in allen Fahndungshilfsmitteln der Ermittlungsbehörden vorgenommen werden. Das wird zwar ausdrücklich nur in § 131a Abs. 5 bestimmt, gilt aber auch für die übrigen Fahndungen (Brodersen NJW 2000, 2537; Soiné JR 2002, 137). Zur Auslegung dieses Begriffs ist auf Nr. 40 RiStBV zurückzugreifen (Brodersen, a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt, § 131a Rn 5).

 

Rdn 2418

3.a) Die (allgemeine) Ausschreibung zur Festnahme nach § 131 setzt nach Abs. 1 das Vorliegen eines HB (→ Untersuchungshaft des Beschuldigten, Teil U Rdn 4474) bzw. eines Unterbringungsbefehls (→ Unterbringung des Beschuldigten, Teil U Rdn 4441) voraus. Gegenüber § 131 a.F. verzichtet die StPO auf den Begriff "Steckbrief". Damit ist klargestellt, dass unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch mildere Maßnahmen möglich sind als der frühere "Steckbrief" (Hilger NStZ 2000, 562; zur Verteidigung gegen eine Ausschreibung bei Interpol Jung StraFo 2012, 482).

 

☆ § 131 Abs. 1 verzichtet auch auf die Nennung von Flucht oder Verbergen als weitere Voraussetzung. Dies ist nicht erforderlich, da das erforderliche Vorliegen eines Haft- bzw. Unterbringungsbefehls denknotwendig Flucht oder Verbergen voraussetzen. Fehlen sie, so ist die Ausschreibung nicht erforderlich und daher i.d.R. unverhältnismäßig ( Hilger NStZ 2000, 562 Fn 29).Flucht oder Verbergen voraussetzen. Fehlen sie, so ist die Ausschreibung nicht erforderlich und daher i.d....

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