Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Unionsbürgerschaft. Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Familienangehörige des Unionsbürgers. Begriff ‚Verwandter in gerader absteigender Linie’. Dauerhafte gesetzliche Vormundschaft gemäß der Regelung der algerischen. Kafala’ (gesetzliche Betreuung). Sonstige Familienangehörige. Familienleben. Kindeswohl

 

Normenkette

Richtlinie 2004/38/EG Art. 2 Nr. 2 Buchst. c, Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 7, 24 Abs. 2

 

Beteiligte

SM

SM

Entry Clearance Officer, UK Visa Section

 

Tenor

Der Begriff „Verwandter in gerader absteigender Linie” eines Unionsbürgers in Art. 2 Nr. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG ist dahin auszulegen, dass er ein Kind, das unter die dauerhafte gesetzliche Vormundschaft eines Unionsbürgers nach der algerischenKafalagestellt wurde, nicht umfasst, da dadurch kein Abstammungsverhältnis zwischen ihnen begründet wird.

Die zuständigen nationalen Behörden haben jedoch die Einreise und den Aufenthalt eines solchen Kindes als eines sonstigen Familienangehörigen eines Unionsbürgers im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie, gelesen im Licht von Art. 7 und Art. 24 Abs. 2 der Charta, zu erleichtern, indem sie eine ausgewogene und sachgerechte Würdigung aller aktuellen und relevanten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung sämtlicher in Rede stehenden Interessen, insbesondere des Wohls des betreffenden Kindes, vornehmen. Für den Fall, dass nach Abschluss dieser Würdigung feststeht, dass das Kind und sein Vormund, der Unionsbürger ist, dazu berufen sind, ein tatsächliches Familienleben zu führen, und dass das Kind von seinem Vormund abhängig ist, gebietet das Grundrecht der Achtung des Familienlebens in Verbindung mit der Verpflichtung zur Berücksichtigung des Kindeswohls grundsätzlich die Gewährung eines Rechts auf Einreise und Aufenthalt des Kindes, um es ihm zu ermöglichen, mit seinem Vormund in dessen Aufnahmemitgliedstaat zu leben.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supreme Court of the United Kingdom (Oberster Gerichtshof des Vereinigten Königreichs) mit Entscheidung vom 14. Februar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Februar 2018, in dem Verfahren

SM

gegen

Entry Clearance Officer, UK Visa Section,

Beteiligte:

Coram Children’s Legal Centre (CCLC),

AIRE Centre,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe (Berichterstatterin), der Richter A. Rosas, E. Juhász, M. Ilešič, D. Šváby, C. G. Fernlund und N. Piçarra sowie der Richterin L. S. Rossi,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von SM, vertreten durch T. Muman und R. de Mello, Barristers, sowie L. Tang, Solicitor,
  • des Coram Children's Legal Centre (CCLC), vertreten durch S. Gill, QC, sowie N. Acharya und S. Freeman, Solicitors,
  • des AIRE Centre, vertreten durch A. O'Neill, QC, D. Chirico und C. Robinson, Barristers, A. Lidbetter, M. Evans, L. Nassif, C. Hall, C. Iacono, A. Thornton, M. Papadouli und A. Tidona, Solicitors, L. Van den Hende, advocaat, sowie N. Mole, SC,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch F. Shibli und R. Fadoju als Bevollmächtigte im Beistand von B. Kennelly, QC,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte im Beistand von E. Derriks, avocate,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch J. M. Hoogveld und M. K. Bulterman als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Montaguti und M. Wilderspin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Februar 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Nr. 2 Buchst. c sowie der Art. 27 und 35 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge