Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen. Zuständigkeit für die Entscheidung über einen Scheidungsantrag. Zuständigkeit im Bereich der elterlichen Verantwortung und der Unterhaltspflicht für das minderjährige Kind des Paares. Anrufung des Gerichts des Staates, dessen Staatsangehörigkeit die Parteien haben. Aufenthalt des minderjährigen Kindes und der Eltern in einem anderen Mitgliedstaat. Zuständigkeitsvereinbarung. Prüfung der Zuständigkeit. Begriff ‚elterliche Verantwortung’

 

Normenkette

EGV Nr. 2201/2003 Art. 3 Abs. 1 Buchst. b, Art. 12 Abs. 1 Buchst. b, Art. 17

 

Beteiligte

OF (Divorce impliquant un enfant mineur)

OF

PG

 

Tenor

1. Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 ist dahin auszulegen, dass bei einem Scheidungsantrag, den der Antragsteller beim Gericht des Mitgliedstaats der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehegatten einbringt, obwohl diese ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat haben, dieses Gericht nach Buchst. b dieser Bestimmung für die Entscheidung über diesen Antrag zuständig ist. Da die Zustimmung des Antragsgegners nicht erforderlich ist, braucht nicht geprüft zu werden, ob es als stillschweigende Anerkennung der Zuständigkeit dieses Gerichts seitens des Antragsgegners gilt, wenn er die Unzuständigkeit dieses Gerichts nicht einwendet.

2. Art. 3 Abs. 1 und Art. 17 der Verordnung Nr. 2201/2003 sind dahin auszulegen, dass in einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden der Umstand, dass das Paar, dessen Ehe geschieden werden soll, ein minderjähriges Kind hat, für die Bestimmung des zuständigen Scheidungsgerichts unerheblich ist. Da das vom Antragsteller angerufene Gericht des Mitgliedstaats der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehegatten nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung für den Scheidungsantrag zuständig ist, kann es nicht die internationale Unzuständigkeit einwenden, selbst wenn sich die Parteien nicht über die Zuständigkeit geeinigt haben.

3. Art. 12 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 2201/2003 ist dahin auszulegen, dass in dem Fall, dass ein vom Antragsteller angerufenes Gericht des Mitgliedstaats der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Ehegatten nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung für den Scheidungsantrag zuständig ist, die in Art. 12 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung vorgesehene Voraussetzung der Anerkennung der Zuständigkeit nicht als erfüllt angesehen werden kann, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht die elterliche Verantwortung ist und der Antragsgegner nicht erschienen ist. In diesem Fall ist das für die Ehescheidung zuständige angerufene Gericht weder nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 2201/2003 für die Entscheidung über die elterliche Verantwortung für das betroffene Kind noch nach Art. 3 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen für die Entscheidung über die entsprechende Unterhaltspflicht zuständig.

4. Der Begriff „elterliche Verantwortung” im Sinne der Verordnung Nr. 2201/2003 ist dahin auszulegen, dass er insbesondere die Entscheidungen betreffend das Sorgerecht und den Aufenthaltsort des Kindes umfasst, nicht aber den Beitrag der Eltern zu den Kosten der Bildung und Erziehung des Kindes, da dieser unter den Begriff „Unterhaltspflicht” und somit in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 4/2009 fällt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Judecătoria Rădăuţi (Amtsgericht Rădăuţi, Rumänien) mit Entscheidung vom 19. November 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Dezember 2018, in dem Verfahren

OF

gegen

PG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen sowie der Richter J. Malenovský und C. G. Fernlund (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane, L. Liţu und C.-R. Canţăr als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin und L. Radu Bouyon als Bevollmächtigte,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Nr. 7, Art. 3 Abs. 1 sowie der Art. 12 und 17 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren...

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