2.3.1 Streitige Verfahren

Entstehen durch den Erbfall als solchen streitige erbrechtliche Rechtsverhältnisse, so greift die Vorschrift des § 27 ZPO ein, der "besondere Gerichtsstand der Erbschaft", wobei der Gerichtsort durch den allgemeinen Gerichtsstand des Erblassers zum Todeszeitpunkt gemäß §§ 12, 13 ZPO bestimmt wird. Folglich ist das Gericht am Wohnsitz des Erblassers i. S. d. § 13 ZPO zuständig bei Feststellung des Erbrechts, für die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Erbschaftsbesitzer, für einen Antrag auf Gewährung von Unterhalt nach § 1969 BGB oder etwaige Klagen wegen Pflichtteilsansprüchen, Ansprüchen aus Vermächtnissen, Nacherbenrechten oder gegen Erbschaftskäufer nach § 2030 BGB.

Für den Fall, dass der Erblasser mehrere Gerichtsstände hatte (z. B. aufgrund mehrerer Wohnsitze im Inland), hat der Kläger nach § 35 ZPO die freie Wahl zwischen diesen.

Hatte der Erblasser dagegen überhaupt keinen Wohnsitz oder zumindest keinen im Inland, so bestimmt sich sein allgemeiner Gerichtsstand gemäß § 16 ZPO nach seinem gewöhnlichen Aufenthalt, also danach, wo er seinen Lebensmittelpunkt hatte. Lässt sich hiernach ein allgemeiner Gerichtsstand allein im Ausland ermitteln, so können gemäß § 27 Abs. 2 ZPO Klagen, die unter Absatz 1 fallen, vor dem Gericht des Bezirks des letzten inländischen Wohnsitzes erhoben werden. Hatte der Erblasser auch einen solchen Wohnsitz nicht, so ist das Amtsgericht Berlin-Schöneberg hilfsweise zuständig (vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 ZPO entsprechend). Grund für diese Regelung ist der Umstand, dass für die Beurteilung einer Nachlasssache nach deutschen Gesetzen auch ein inländischer Gerichtsstand zur Verfügung stehen muss.

§ 27 ZPO findet allerdings keine Anwendung, wenn es um erbrechtliche Streitigkeiten geht, die bereits vor dem Erbfall entstanden sind.

Für Klagen eines Nachlassgläubigers wegen anderer als in § 27 ZPO genannter Nachlassschulden ist der erweiterte und zeitlich begrenzte Gerichtsstand nach § 28 ZPO relevant, der wiederum teilweise den Gerichtsstand nach § 27 ZPO für einschlägig erklärt. Der Gerichtsstand gilt gegenüber einem Alleinerben, solange sich der Nachlass noch ganz oder teilweise im Gerichtsbezirk befindet, wobei der Wert des Nachlassteils hier unerheblich ist. Ansonsten ist zu unterscheiden, ob ein Erbe oder mehrere Erben vorhanden sind. Bei lediglich einem Erben ist die Klage im Gerichtsstand des § 28 ZPO zulässig, wenn sich nur ein kleiner Teil des Nachlasses im jeweiligen Gerichtsbezirk befindet. Der Wert des Nachlassteils spielt keine Rolle.

Sollten allerdings mehrere Erben vorhanden sein, so ist der Gerichtsstand des § 28 ZPO nur so lange einschlägig, wie die Erben als Gesamtschuldner haften (vgl. § 2058 BGB). Die Gesamthaftung endet regelmäßig mit der Teilung des Nachlasses (vgl. § 2060 BGB). Für diese Zuständigkeit nicht relevant ist, ob sich noch ein Teil des Nachlasses im Gerichtsbezirk befindet.

Zur Beweislast: Für das Vorliegen des Anwendungsbereichs des § 28 ZPO ist der Kläger, für den Wegfall ihrer Gesamthaftung sind die Erben beweisbelastet.[1]

2.3.2 Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit

Bei den Nachlass- und Teilungssachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit nach § 342 FamFG, wie z. B. Erbscheins- oder Testamentseröffnungsverfahren, richtet sich die örtliche Zuständigkeit allein nach § 343 FamFG. Dabei kommt es nicht auf den Wohnsitz des Erblassers, sondern seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Zeitpunkt seines Todes, hilfsweise seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland an. Lässt sich ein gewöhnlicher Aufenthalt im Inland nicht ermitteln, ist wiederum das Amtsgericht Berlin-Schöneberg zuständig mit der Möglichkeit die Sache aus wichtigem Grund an ein anderes Nachlassgericht zu verweisen (§ 343 Abs. 3 FamFG).

Ferner eröffnet § 344 Abs. 7 FamFG für die Ausschlagung einer Erbschaft sowie die Anfechtung dieser Erklärung einen zusätzlichen Gerichtsstand bei dem Nachlassgericht, in dessen Bezirk der Ausschlagende oder Anfechtende seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Funktionell sind Nachlasssachen nach § 3 Nr. 2 c) RPflG dem Rechtspfleger übertragen.[1] Lediglich im Rahmen des § 16 RpflG verbleibt die Zuständigkeit beim Richter (z. B. nach Abs. 1 Nr. 2 die Ernennung von Testamentsvollstreckern oder nach Abs. 1 Nr. 5 deren Entlassung oder nach Abs. 1 Nr. 6 die Erteilung von Erbscheinen bei Vorliegen einer letztwilligen Verfügung). Der Rechtspfleger hat jedoch nach § 4 Abs. 3 RPflG und nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 RPflG (z. B. Erforderlichkeit der Abnahme von Eiden, bei verfassungsrechtlichen Bedenken oder bei möglicher Anwendung ausländischen Rechts, soweit hier nicht ohnehin der Richter nach § 16 Abs. 6 RPflG zuständig ist) die Möglichkeit bzw. sogar die Pflicht, die Sache dem Richter vorzulegen.

[1] Das gilt auch für die Feststellung des Fiskuserbrechts und bei der Fiskuserbschaft neben Erben dritter Ordnung, so OLG Braunschweig, Beschluss v. 17.12.2021, 3 W 48/21.

2.3.3 Auseinanderfallen der Zuständigkeiten bei der "güterrechlichen Lösung"

Trotz des erbrechtlichen Bezugs bestehen die sachliche Zuständigkeit des Nachlassgerichts und diejenige des Familien...

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