Leitsatz

  1. Ausnahmsweise können Eigentümer ohne bisher bestellte Verwaltung eine Versammlung einberufen, wenn dies einvernehmlich durch alle Wohnungseigentümer erfolgt
  2. Einzelne Eigentümer sind nicht befugt, eine solche einvernehmlich einberufene Eigentümerversammlung wieder abzusetzen
  3. Ein zu erfolgreicher Beschlussanfechtung führender Einberufungsmangel besteht dann, wenn die Versammlung nicht an dem ursprünglich einvernehmlich festgelegten Versammlungsort ohne erneutes Einverständnis aller Eigentümer durchgeführt wurde
  4. Verlegung eines Versammlungsorts kann nur durch den Einberufungsberechtigten erfolgen (vorliegend auch nur im gegenseitigen Einvernehmen)
  5. Erforderlich ist auch Einigung über die Tagesordnung und die Versammlungsleitung
 

Normenkette

§§ 23, 24 WEG; § 242 BGB

 

Kommentar

  1. In einer vierköpfigen Gemeinschaft gab es bisher keinen bestellten Verwalter. Alle Eigentümer einigten sich zunächst schriftlich, in den Kanzleiräumen des Anwalts einer Klägerseite eine "Voll-Universalversammlung…. unter Verzicht auf die formellen Einberufungsvoraussetzungen" stattfinden zu lassen. Eine vom Kläger vorgeschlagene Tagesordnung wurde noch kurz vor dem Versammlungstermin um wesentliche Punkte erweitert. Zur Person des Versammlungsleiters konnte man sich nicht einigen. 2 Tage vor der vorgesehenen Versammlung sagten die Kläger diese vereinbarte Versammlung wieder ab, da sie zu kurzfristig über weitere Wünsche der Beklagten informiert worden seien und baten darum, in Zukunft Eigentümerversammlungen unter Beachtung der formellen Voraussetzungen einzuberufen. Daraufhin teilten die Beklagten mit, dass die Versammlung dennoch durchgeführt werde und dass diese in die Kanzlei einer Beklagtenseite verlegt werde, wenn der vereinbarte Versammlungsraum nicht zur Verfügung gestellt werde. Da die Kläger am Versammlungstag am vorgesehenen Ort nicht anwesend waren und den Beklagten den Zutritt zum Versammlungsraum verwehrten, verlegten die Beklagten unter Hinterlassung einer entsprechenden Mitteilung an die Kläger die Versammlung in die einige Kilometer entfernt gelegenen Kanzleiräume einer Beklagtenseite; dort fand dann eine halbe Stunde später die Versammlung in Abwesenheit der Kläger statt.

    In allen Instanzen wurden die dort gefassten Beschlüsse auf klägerische Anfechtung hin für ungültig erklärt.

  2. Mangels eines Verwalters oder Verwaltungsbeiratsvorsitzenden (vgl. § 24 Abs. 1, 2 und 3 WEG) sind ausnahmsweise auch Eigentümer berechtigt, eine Eigentümerversammlung einzuberufen, wenn dies einvernehmlich durch alle Eigentümer erfolgt (h.M., etwa auch OLG Celle, MDR 2000 S. 1428, 1429). Vorliegend wurde die Versammlung im schriftlichen Einvernehmen aller Eigentümer einberufen.

    Abgesagt werden kann in einem solchen Fall die Versammlung vom jeweils Einladenden (allgemeiner verbandsrechtlicher Grundsatz mangels ausdrücklicher Regelung im WEG, vgl. etwa Merle, ZMR 1980, S. 225; OLG Hamm, MDR 1980 S. 1022, 1023 und andere Literaturstimmen). Die klägerischen Eigentümer waren daher nicht befugt, die von allen Wohnungseigentümern einvernehmlich einberufene EV wieder abzusetzen; insoweit hätte es ebenfalls einer einvernehmlichen Vorgehensweise durch alle Eigentümer bedurft.

    Dies heißt nicht, dass eine Versammlung nur durchgeführt werden kann, wenn auch alle Eigentümer zur Versammlung erscheinen und dass ein einzelner Eigentümer berechtigt sein soll, die Versammlung abzusagen. Kommt es zu einer Eigentümerabsage selbst an einer geplanten "Vollversammlung", darf diese gleichwohl durchgeführt werden. Bei Fernbleiben eines Eigentümers in der Versammlung gilt allerdings nicht die Heilungswirkung hinsichtlich etwaiger Einberufungsmängel.

  3. Allerdings liegt ein Einberufungsmangel darin, dass die Versammlung vorliegend nicht an dem Ort durchgeführt wurde, den ursprünglich die Eigentümer einvernehmlich festgelegt hatten, sondern in einer anderen Kanzlei ohne Einverständnis der Kläger. Zur Änderung des Versammlungsorts waren die Beklagten nicht allein befugt; Verlegung hätte nur durch die Einberufungsberechtigten (hier: alle Eigentümer) im gegenseitigen Einvernehmen erfolgen müssen.
  4. Dass die Kläger den Zutritt zum vereinbarten Versammlungsort verwehrten, mag u.U. zu Schadensersatzansprüchen vergeblich angereister Wohnungseigentümer führen; allerdings berechtigt es nicht andere Eigentümer, den Versammlungsort zu verlegen. Auch eine vorherige Information über die beabsichtigte Verlegung begründet kein Selbsthilferecht einzelner Eigentümer (h.M.). Wie schon das Berufungsgericht urteilte, hätten hier die Beklagten entweder auf eine neue Vereinbarung hinwirken oder sich vom Gericht – ggf. im Wege einer einstweiligen Verfügung – zur Einberufung einer Eigentümerversammlung ermächtigen lassen müssen.
  5. Die Kläger müssen sich auch im Hinblick auf ihr eigenes, zum Scheitern der Versammlung am vereinbarten Ort führendes Verhalten nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) so behandeln lassen, als liege kein Einberufungsmangel vor. Ihr Handeln war von sachlichen Gründen getragen. Bis...

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