(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatze des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
Rz. 4
§ 823 Abs. 1 BGB legt eine Schadensersatzverpflichtung fest, wenn rechtswidrig und schuldhaft die dort aufgeführten Rechtsgüter oder Rechte verletzt werden und dadurch Schäden entstehen. Soweit die Norm das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit oder das Eigentum aufführt, wird es fast immer um Personen- oder Sachschäden gehen. Diese Schäden sind in der Betriebshaftpflichtversicherung bzw. in anderen Haftpflichtkonzepten, z.B. der Kfz-Haftpflichtversicherung versichert. Diese Fälle sind daher kein Anwendungsbereich für die D&O-Versicherung.
Rz. 5
Beispiel: "Arbeiten am Tank"
In einer angemieteten Halle wird eine Kfz-Werkstatt betrieben, in der auch Kraftfahrzeuge zerlegt und verwertet werden. Ein Mitarbeiter bohrt als Vorbereitung für die Zerlegung des Pkws einen Kunststofftank an. Er stellt einen Behälter darunter und will den Kraftstoff ablassen, wobei der Tank noch ca. 40 Liter Benzin enthält. Der Mitarbeiter ist eigentlich nur als Fahrer beschäftigt, hilft aber gelegentlich in der Werkstatt aus. Ihm assistiert ein Auszubildender. Der Mitarbeiter bittet den Auszubildenden den elektrischen Akkubohrer zu holen, obwohl die Anweisung besteht wegen des Brand- und Explosionsrisikos nur den Handbohrer zu verwenden. Auch wird entgegen der Anweisung durch den zweiten Mitarbeiter kein Feuerlöscher bereitgehalten. Dieser wendet sich vielmehr anderen Arbeiten am Fahrzeug zu. Durch einen Funken entzündet sich das Benzin. Beide Mitarbeiter werden verletzt, die Halle brennt aus. Die GmbH muss dem Vermieter Ersatz für die abgebrannte Halle leisten. Sie hat einen großen weiteren Schaden durch das verbrannte Inventar erlitten und vor allem durch den Ausfall der Halle für ca. ein Jahr erhebliche Ausfälle an Umsätzen.
Rz. 6
Eine Haftung des Geschäftsführers in dem vorgenannten Beispiel besteht nicht per se. Er selbst hat die Sach-, Personenschäden sowie den Ertragsausfall nicht durch unmittelbare ursächliche Handlungen verursacht. Ihn treffen aber Organisations- und Überwachungspflichten. Immerhin gab es von ihm die Anweisung, den Tank nicht mit einem elektrischen Akkubohrer, sondern nur mit einem mechanischen Handbohrer aufzubohren. Auch sollte ein zweiter Mitarbeiter während solcher brandgefährlichen Arbeiten als Brandwache fungieren. Mehr kann von dem Geschäftsführer nicht erwartet werden. Allerdings wäre noch zu prüfen, ob auch der verursachende Arbeitnehmer, der sonst als Fahrer arbeitet, entsprechend ausgesucht, angewiesen und überwacht wurde, also ob auch er die Anweisungen zur Kenntnis nehmen konnte. Der Arbeitnehmer ist in der Betriebshaftpflichtversicherung der Werkstatt mitversichert, er muss also keine persönliche Haftung befürchten. Auch wenn er wissentlich gegen die Dienstanweisung verstoßen hätte, wollte er den Schaden nicht vorsätzlich herbeiführen. Er genießt daher in der Betriebshaftpflichtversicherung Versicherungsschutz. Der Geschäftsführer haftet ebenfalls nicht, wobei dies die GmbH anders sehen könnte. Sie könnte den Versuch unternehmen ihn in die Haftung zu nehmen. Dies kann ggf. auch danach entschieden werden, inwieweit weiterer Versicherungsschutz zur Verfügung steht, z.B. aus einer Inhaltsversicherung für die verbrannte Betriebseinrichtung oder aus einer Feuerbetriebsunterbrechungsversicherung für den entstandenen Ertragsausfall. Sollte derartiger Versicherungsschutz nicht bestehen, stellt sich die Frage, ob der Geschäftsführer deswegen aus § 43 GmbHG gegenüber der GmbH haftet. Dies wäre dann ein Fall für die D&O-Versicherung, wenn man diesen Schaden als (ggf. erweiterten) Vermögensschaden ansieht (siehe dazu oben die Ausführungen bei A-1 AVB D&O unter V.)
Rz. 7
Soweit die Rechte und Rechtsgüter von § 823 Abs. 1 BGB betroffen sind, also hier Personen- oder Sachschaden entstanden sind, haftet die GmbH ggf. über § 31 BGB für die Verletzung von Organisationspflichten oder wegen Pflichten aus den entsprechenden Vertragsverhältnissen, hier z.B. auf Schadensersatz aus dem Mietvertrag wegen der Halle (§ 280 Abs. 1 BGB, wobei der schadensverursachende Arbeitnehmer Erfüllungsgehilfe gemäß § 278 BGB ist). Die entscheidende und nicht abschließend geklärte Frage ist: Wann haftet das Organmitglied gegenüber dem Geschädigten unmittelbar, ggf. gesamtschuldnerisch neben der GmbH? Hier wird eine Garantenstellung des Geschäftsführers oder des Vorstands diskutiert. Diese hat der BGH erstmals im sog. Baustofffall entwickelt. Dies wird insbesondere, aber nicht nur für den Bereich des Unterlassen...