Leitsatz

Der Ersteher eines Wohnungseigentums verletzt seine Pflicht nach § 14 Nr. 1 WEG, wenn er den Gebrauch durch den früheren Wohnungseigentümer, dem das Wohnungseigentum nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG entzogen worden ist, nicht beendet, sondern ihm den Besitz an dem Sondereigentum weiter überlässt; die anderen Wohnungseigentümer können verlangen, dass er dem früheren Wohnungseigentümer den Besitz entzieht.

 

Normenkette

WEG §§ 14, 15, 18, 19

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümerin Q ist wegen Beleidigungen, Bedrohungen und einer Körperverletzung zum Nachteil eines Wohnungseigentümers sowie eines gewaltsamen Auftretens gegenüber einem Gartenbauunternehmer zur Veräußerung ihres Wohnungseigentums nach § 18 WEG verurteilt. In dem von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eingeleiteten Zwangsversteigerungsverfahren wird Wohnungseigentümerin B, eine GbR, im September 2013 der Zuschlag erteilt. Diese überlässt Q das Sondereigentum.
  2. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K beantragt vor diesem Hintergrund, B und ihre Gesellschafter B1 und B2 zu verurteilen, dafür Sorge zu tragen, dass Q "die Wohnungseigentumseinheit und den sonstigen Bereich des Gebäudes und des Grundstücks der Wohnungseigentumsanlage" nicht mehr betreten und in sonstiger Weise nutzen darf. Das Amtsgericht gibt dem Antrag statt. Dagegen legen die Beklagten Berufung ein. Auf einen Hinweis des Landgerichts beantragt K hilfsweise, die Beklagten zu verurteilen, ein etwaiges bestehendes Nutzungsverhältnis mit Q unverzüglich zu beenden und dieser den Besitz an der "Wohnung" zu entziehen. Das Landgericht gibt dem Hilfsantrag statt. Das Landgericht meint, die Beklagten seien nach §§ 14 Nr. 1, 15 Abs. 3 WEG verpflichtet, die Nutzungsvereinbarung mit Q zu beenden. Die Nutzungsvereinbarung diene ersichtlich dazu, die Wirkungen des Entziehungsurteils zu unterlaufen. Es sei allgemein anerkannt, dass das Entziehungsverfahren gegenüber dem Ersteher eingeleitet werden könne, wenn er das Wohnungseigentum dem wegen nachhaltiger Störungen des Gemeinschaftsfriedens ausgeschlossenen früheren Wohnungseigentümer zur Nutzung überlasse. Demgemäß bestehe ein Anspruch der Wohnungseigentümer auf Beendigung des Nutzungsverhältnisses. K sei durch den Beschluss ermächtigt worden, diesen Anspruch zu verfolgen. Die Passivlegitimation von B1 und B2 folge aus § 128 HGB analog.
  3. Mit der Revision erstreben die Beklagten weiterhin die Klageabweisung. Zum Teil mit Erfolg!
 

Die Entscheidung

Die Klage gegen B

  1. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer habe gegen B einen Unterlassungsanspruch aus § 15 Abs. 3 WEG. B verstoße gegen die in § 14 Nr. 1 WEG geregelten Pflichten, wenn sie die Nutzung durch Q nicht beende, sondern ihr, obwohl dieser das Wohnungseigentum nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG entzogen worden sei, den Besitz an dem Sondereigentum weiter überlasse.
  2. Das Entziehungsurteil, durch das Q das Wohnungseigentum entzogen worden sei (§ 18 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 WEG), sei für B auch ohne Eintragung in das Grundbuch bindend. Das ergebe sich aus § 10 Abs. 4 Satz 1 WEG. Sondernachfolger im Sinne dieser Bestimmung sei auch derjenige, der das Wohnungseigentum im Wege der Zwangsversteigerung erwerbe (Hinweis unter anderem auf Hügel/Elzer, WEG, 1. Auflage 2015, § 10 Rn. 180).
  3. Zwar verpflichte das Entziehungsurteil nach § 18 Abs. 1 WEG den verurteilten Wohnungseigentümer nur zu der Veräußerung des Wohnungseigentums. Aus diesem ergebe sich allerdings, dass sich der frühere Eigentümer gemeinschaftsschädigend verhalten und den Gemeinschaftsfrieden gestört habe. Aus seinem Handeln in der Vergangenheit sei die Prognose abzuleiten, dass er auch künftig nicht von seinem gemeinschaftsschädigenden Verhalten Abstand nehmen werde. Sei dem Wohnungseigentümer das Wohnungseigentum nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG entzogen worden, weil er trotz Abmahnung wiederholt gröblich gegen ihm nach § 14 WEG obliegende Pflichten verstoßen habe, stehe durch das Entziehungsurteil fest, dass sein Verbleib in der Wohnung den übrigen Wohnungseigentümern unzumutbar sei. Die Folge sei, dass der Ersteher eines Wohnungseigentums seine Pflichten nach § 14 Nr. 1 WEG verletze, wenn er den Gebrauch durch den früheren Wohnungseigentümer nicht beende, sondern ihm den Besitz am Sondereigentum weiter überlässt. Dadurch würden die übrigen Wohnungseigentümer gezwungen, die Hausgemeinschaft mit dem früheren Wohnungseigentümer fortzusetzen, obwohl ihnen dieses gerade nicht zugemutet werden könne. Die Wirkungen des Entziehungsurteils würden unterlaufen werden, was mit dem Sinn und Zweck des Entziehungsverfahrens nicht vereinbar sei. Dieser bestehe darin, den Gemeinschaftsfrieden gegenüber einem "Störenfried" wieder herzustellen. Dabei komme es nicht darauf an, ob es zeitlich nach dem Entziehungsurteil zu weiteren Störungen des Hausfriedens durch den früheren Wohnungseigentümer gekommen sei. Der pflichtwidrige Gebrauch des Erstehers im Sinne des § 15 Abs. 3 WEG bestehe nicht darin, dass er neue Störungen des früheren Wohnungseigentümers nicht unterbinde (§ 14 Nr. 2 WEG...

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