1 Leitsatz

Wird die Anfechtungsklage eines Wohnungseigentümers gegen einen nach dem 30.11.2020 auf der Grundlage des Wirtschaftsplans gefassten Beschlusses über die Vorschüsse zur Kostentragung und zu den Rücklagen abgewiesen, bestimmt sich die Beschwer in aller Regel nach der Höhe der Vorschüsse, die dem Anteil aus dem Wirtschaftsplan entsprechen. Ein nach dem 30.11.2020 gefasster Beschluss, durch den "der Wirtschaftsplan genehmigt wird", ist dahingehend auszulegen, dass die Wohnungseigentümer damit lediglich die Höhe der in den Einzelwirtschaftsplänen ausgewiesenen Beträge (Vorschüsse) festlegen wollen.

2 Normenkette

§ 511 Abs. 2 ZPO; § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG

3 Das Problem

Die Wohnungseigentümer fassen den folgenden Beschluss: "Der vorgelegte Wirtschaftsplan 2022 wird genehmigt. Es gelten die ausgedruckten neuen ‚Wohnlasten’, und zwar rückwirkend ab dem 1.1.2022. Der Wirtschaftsplan gilt bis zur Beschlussfassung eines neuen Wirtschaftsplanes fort." Der Wirtschaftsplan weist Gesamtausgaben in Höhe von 126.680,32 EUR aus; auf Wohnungseigentümerin K entfällt ein Anteil in Höhe von 4.224 EUR. Die monatlichen Vorschüsse der K sind auf einen Betrag von jeweils 352 EUR festgelegt worden. Gegen diesen Beschluss geht K vor. Das AG weist die Klage ab. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG sei zwar nicht über den Wirtschaftsplan selbst, sondern nur über die Vorschüsse zu der Kostentragung und zu den Rücklagen zu beschließen. Es sei aber unschädlich, wenn sich in der Beschlussfassung über die Vorschüsse auch eine Bezugnahme auf den Wirtschaftsplan finde. Der Inhalt der Beschlussfassung sei nämlich regelmäßig durch Auslegung auf einen Beschluss über die Vorschüsse zu reduzieren. Dagegen wendet sich die Berufung. Das LG verwirft diese als unzulässig: Der Wert des Beschwerdegegenstands übersteige nicht den Betrag von 600 EUR.

4 Die Entscheidung

Der BGH sieht das anders! Die Beschwer der K berechne sich nach dem auf sie entfallenden Anteil an dem Wirtschaftsplan. Dieser betrage 4.224 EUR. Denn die Höhe der Beschwer hänge nicht davon ab, welche Einwendungen ein Wohnungseigentümer mit der Anfechtungsklage gegen den Beschluss erhebe. Erstrebe der Anfechtungskläger, wie hier, dass der gesamte Beschluss für ungültig erklärt werde, sei er bei einer Klageabweisung in Höhe des auf ihn entfallenden Betrags beschwert.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es im Kern um den Begriff der "Beschwer". Daneben geht es um die Frage, wie man seit dem 1.12.2020 einen Vorschuss-Beschluss fassen sollte.

Beschwer

Die Berufung ist gem. § 511 Abs. 2 ZPO nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 EUR übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat. An dieser Stelle klärt der BGH, dass sich die Beschwer des Klägers bei einer Anfechtungsklage gegen einen nach dem 30.11.2020 gefassten Vorschuss-Beschluss in aller Regel nach der Höhe der Vorschüsse bestimmt, die er der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer schuldet.

Vorschuss-Beschluss

Am Ende der Entscheidung weist der BGH – nicht tragend, aber für die Praxis maßgeblich! – darauf hin, dass der Beschluss nicht nichtig sei. Dass die Wohnungseigentümer den "vorgelegten Wirtschaftsplan 2022" genehmigt hätten, führe weder zur Nichtigkeit noch zu Teilnichtigkeit des Beschlusses. Ein Verstoß gegen § 28 Abs. 1 Satz 1 WEG liege nicht vor. Ein nach dem 30.11.2020 gefasster Beschluss, durch den "der Wirtschaftsplan genehmigt wird", sei dahingehend auszulegen, dass die Wohnungseigentümer damit lediglich die Höhe der in den Einzelwirtschaftsplänen ausgewiesenen Beträge (Vorschüsse) festlegen wollten, auch wenn nach dem Wortlaut (zugleich) der Wirtschaftsplan genehmigt werden sollte.

Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?

Die Verwaltung hatte einen Beschluss vorgesehen, mit dem der Wirtschaftsplan "genehmigt" wird. Dieses falsche Vorgehen billigen viele LG und jetzt auch der BGH. Man meint, mit einem solchen Beschluss seien jedenfalls die Vorschüsse bestimmt, nicht aber der Gesamtwirtschaftsplan gebilligt worden. Die Auslegung ist grundsätzlich vertretbar, aber nicht gut. Ein Vorschuss-Beschluss sollte klarer und transparenter als im Fall gefasst werden. Es sollte anhand einer Tabelle bestimmt werden, auf welches Wohnungseigentum welcher Vorschuss entfällt. Ferner gibt es keine Wohnlasten. Auch sollte nicht der Wirtschaftsplan fortgelten: Vielmehr soll die Pflicht, der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Vorschuss zahlen zu müssen, über das Kalenderjahr hinaus bestehen.

6 Entscheidung

BGH, Beschluss v. 25.10.2023, V ZB 9/23

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