Entscheidungsstichwort (Thema)

Bußgeldverfahren. Alkohol. Alkoholkonsum. Alkoholfahrt. Alkoholisierungsgrad. Fahruntüchtigkeit. Pkw. Geldbuße. Fahrverbot. Regelfahrverbot. Wechselwirkung. Ausnahme. Absehen. Härtefall. Existenzverlust. Zeitsoldat. Tatgeschehen. typisch. Angemessenheit. unpassend. Tatgericht. Ermessen. Ermessensspielraum. Rechtsbeschwerde. Rechtsbeschwerdebeschränkung. Rechtsfolgenausspruch. Sachrüge. Atemalkoholkonzentration. AAK. Atemluftgrenzwert. Dräger. Alcotest 9510. Bier. Junggesellenabschied. Fahrtantritt. Fahrtstrecke. Fahrtdauer. Tatverlauf. Gesamtschau. Unrechtsgehalt. Gefährlichkeit. Nachtatverhalten. Schuldeinsicht. Reue. Regelbeispiel. Indizwirkung. Ausnahmesituation. psychisch. Vollstreckungserleichterung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Absehen vom gesetzlichen Regelfahrverbot nach den §§ 24a Abs. 1 (i.V.m. Abs. 3), 25 Abs. 1 Satz 2 StVG i.V.m. § 4 Abs. 3 BKatV kann nur in einem Härtefall ganz außergewöhnlicher Art in Betracht kommen, oder dann, wenn wegen besonderer Umstände äußerer oder innerer Art das Tatgeschehen ausnahmsweise derart aus dem Rahmen einer typischen Ordnungswidrigkeit nach § 24 a Abs. 1 StVG herausfällt, dass die Anordnung des Regelfahrverbots als offensichtlich unpassend anzusehen wäre.

2. Die Indizwirkung des Regelbeispiels nach den §§ 25 Abs. 1 Satz 2, 24a StVG wird nicht allein dadurch entkräftet, dass bei einer nur wenige Minuten andauernden Alkoholfahrt eine Wegstrecke von lediglich 200 m zurückgelegt wurde. Dies gilt erst recht, wenn der Atemluftgrenzwert nach § 24a Abs. 1 StVG von 0,25 mg/l nicht nur geringfügig überschritten, sondern die Alkoholkonzentration nahe zum Grenzwert der (absoluten) Fahruntüchtigkeit i.S.v. § 316 Abs. 1 StGB lag.

 

Normenkette

StVG § 24a Abs. 1, 3, § 25 Abs. 1 S. 2, Abs. 2a; BKatV § 4 Abs. 1-4; OWiG § 79 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 3, Abs. 3 S. 1, Abs. 5 S. 1, § 80a Abs. 1; StGB § 316 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Coburg (Entscheidung vom 23.02.2023)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Coburg vom 23. Februar 2023 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben.

  • II.

    Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Coburg zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit stehenden Betroffenen wegen einer am 30.07.2022 als Führer eines Pkws fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeugs mit einer Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,25 mg/l oder mehr bzw. einer zu einer solchen führenden Alkoholmenge im Körper gemäß § 24 a Abs. 1 mit Abs. 3 StVG zu einer Geldbuße von 1.200 Euro verurteilt. Die mit dem Atemalkoholmessgerät ,Dräger Alcotest 9510' polizeilich festgestellte AAK ergab eine solche von 0,47 mg/I im Mittelwert. Von dem im Bußgeldbescheid vom 11.08.2022 neben einer Geldbuße von 500 Euro angeordneten Fahrverbot von einem Monat nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG hat das Amtsgericht unter gleichzeitiger Erhöhung des an sich verwirkten Regelbußgeldes gemäß § 4 Abs. 4 BKatV von 500 Euro auf 1.200 Euro abgesehen.

Nach den Urteilsfeststellungen nahm der Betroffene am Tattag an einem Junggesellenabschied teil, in dessen Rahmen auch Alkohol, überwiegend Bier, konsumiert wurde. Gegen 20.00 Uhr kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Betroffenen und der Zeugin V., in deren Verlauf sich die Zeugin von dem Betroffenen, mit welchem sie eine gemeinsame Tochter hat, trennte. Daraufhin wollte sich der Betroffene "der Situation entziehen". Hierzu befuhr er um 20.17 Uhr als Führer eines Pkws Seat die N.-Straße in P., obwohl er hätte erkennen können und müssen, dass er infolge vorausgegangenen Alkoholgenusses eine Alkoholmenge im Körper hatte, die zu einer AAK von 0,25 mg/I oder mehr führte. Als der Betroffene kurz nach Fahrtantritt realisierte, dass er aufgrund seines Alkoholkonsums kein Fahrzeug mehr führen durfte, kehrte er aus eigenem Antrieb wieder zu seinem Parkplatz in die N.-Straße zurück. Die Fahrt dauerte insgesamt nur wenige Minuten und die zurückgelegte Fahrtstrecke betrug insgesamt ca. 200 m. Aus Sorge um den Betroffenen hatte die vorgenannte Zeugin in der Zwischenzeit bereits telefonisch die örtliche Polizeidienststelle über die Wegfahrt des Betroffenen informiert. Noch während dieses Telefonates war der Betroffene wieder zurückkehrt und hatte den Pkw wiederum auf dem Parkplatz abgestellt, wo er zusammen mit der Zeugin auf das Eintreffen der Polizei wartete.

Mit ihrer gegen dieses Urteil zu Ungunsten des Betroffenen eingelegten, ausweislich der Begründung in der Rechtsmittelrechtfertigungsschrift vom 03.04.2023 auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten, von der Generalstaatsanwaltschaft München vertretenen Rechtsbeschwerde rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Die zur Rechtsbeschwerdebegründung der Staatsanwaltschaft abgegebene Stellungnahme ...

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