Entscheidungsstichwort (Thema)

Bußgeld. Geldbuße. Fahrverbot. Rechtsbeschwerde. Rechtsbeschwerdegericht. Tatgericht. Sachrüge. Urteilsaufhebung. Geschwindigkeitsüberschreitung. Geschwindigkeitsbeschränkung. Geschwindigkeitsbegrenzung. Verkehrszeichen. Schilderpaar. Schuldform. Vorsatz. vorsätzlich. bedingt. Inkaufnahme. BAB. Autobahn. Rastanlage. Autobahnauffahrt. Beschleunigungsstreifen. Anschlussstelle. Streckenverlauf. Streckenabschnitt. Beweiswürdigung. Beweisfehler. Darstellungsanforderungen. Begründungsanforderungen. Tatsachenalternativität. Gesamtwürdigung. Pkw. Messstelle. Messverfahren. standardisiert. Unachtsamkeit. Versehen. Schutzbehauptung. Vermutung. rational. Tatsachengrundlage. Schlussfolgerung. willkürlich. spekulativ. lebensfern. Tatvariante. Zweifelssatz. Wahrnehmung. Blickerfassung. Ablenkung. Fahrlässigkeit. Indizien. unfallträchtig. Baustelle. Verkehrsführung. unübersichtlich. anspruchsvoll. Gegenfahrfahrbahn. Leitbake. Fahrbahnmarkierung. aufdrängen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Möglichkeit, die eine Beschränkung der Höchstgeschwindigkeit auf einer Autobahn anordnenden Verkehrszeichens übersehen zu haben, ist stets dann in Rechnung zu stellen, wenn sich hierfür Anhaltspunkte ergeben oder im Verfahren von dem Betroffenen eingewandt wird, die beschränkenden Vorschriftszeichen übersehen zu haben. Ist ein solcher Fall gegeben, müssen die tatrichterlichen Feststellungen deshalb selbst bei einer massiven Geschwindigkeitsüberschreitung eindeutig ergeben, dass der Betroffene die Geschwindigkeitsbeschränkung kannte und entweder bewusst dagegen verstoßen oder aber den Verstoß zumindest billigend in Kauf genommen hat.

2. Die der Verurteilung wegen einer auf einer Autobahn (bedingt) vorsätzlich begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung zugrunde liegende Beweiswürdigung ist rechtsfehlerhaft, wenn sie auf einer vom Tatgericht angenommenen Tatsachenalternativität beruht, deren Grundlagen durch die Beweisaufnahme nicht durch Tatsachen belegt sind, die erkennen lassen, dass die gezogenen Schlussfolgerungen mehr als nur eine Vermutung rechtfertigen.

 

Normenkette

StVG §§ 24, 25 Abs. 1, 2a; StVO § 3 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. c), § 49 Abs. 1 Nr. 3; OWiG §§ 71, 79 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2, Abs. 3 S. 1, Abs. 5 S. 1, Abs. 6, § 80a Abs. 1; StPO §§ 261, 349 Abs. 2, § 353

 

Verfahrensgang

AG Günzburg (Entscheidung vom 03.04.2023)

 

Tenor

  • I.

    Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Günzburg vom 3. April 2023 mit den Feststellungen aufgehoben.

  • II.

    Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Günzburg zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den Betroffenen am 03.04.2023 wegen einer auf einer Autobahn begangenen vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um (toleranzbereinigt) 51 km/h (§ 24 StVG i.V.m. §§ 3 Abs. 3 Nr. 2c, 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO) zu einer Geldbuße von 960 Euro verurteilt und gegen ihn ein (Regel-) Fahrverbot für die Dauer eines Monats nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG (vorläufiger Vollstreckungsaufschub) angeordnet. Nach den Urteilsfeststellungen befuhr der seine Fahrereigenschaft einräumende, Richtigkeit und Verwertbarkeit der (standardisierten) Messung nicht anzweifelnde Betroffene am 24.11.2022 um 17.01 Uhr als Führer eines Personenkraftwagens die BAB A8 in Richtung München, wobei er in Höhe der Messstelle die zuvor jeweils durch beidseitig insgesamt dreimal aufgestellte Schilderpaare auf 130 km begrenzte zulässige Höchstgeschwindigkeit mit gemessenen (mindestens) 181 km/h um 51 km/h überschritt. Der Betroffene handelte hierbei nach Ansicht der Amtsgerichts vorsätzlich, da er "entweder [...] die zulässige Höchstgeschwindigkeit erkannt" hatte, "indem er mindestens eines der sechs aufgestellten Schilder gesehen [...] und diese bewusst ignoriert, oder [...] die Beschilderung von Anfang an völlig ignoriert und außer Betracht gelassen und gleichzeitig die ihm bekannte Geschwindigkeitsbegrenzung völlig verdrängt" hat, "so dass er zumindest billigend in Kauf genommen hat, die Geschwindigkeitsbegrenzung massiv zu überschreiten".

Zum Tatvorwurf ließ sich der Betroffene im Wesentlichen dahin ein, dass er sich auf dem Weg von seinem Wohnort zu einem Termin in München befunden habe und die Strecke regelmäßig befahre. Bis zu dem Termin um 19.30 Uhr habe er reichlich Zeit gehabt, weshalb er nicht sofort auf die Autobahn aufgefahren, sondern zunächst noch weiter Landstraße bis Leipheim gefahren sei. Noch vor der Geschwindigkeitsmessung habe er sich an der dortigen Tank- und Rastanlage etwas zum Trinken gekauft, ehe er erst an der dortigen Anschlussstelle in Fahrtrichtung München auf die Autobahn aufgefahren sei. Die Strecke zum Flughafen München kenne er gut, da er geschäftlich häufig über den besagten Flughafen reise. "Am Tattag sei er wohl unachtsam gewesen und habe deshalb das 130er-Schild nicht gesehen. Es sei ein Versehen gewesen, dass er so schnell gefahren sei". Da...

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