1 Leitsatz

Eine von einem Bauträger in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Erwerbsvertrags verwendete Klausel, die die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums durch eine von ihm als Erstverwalter bestimmte, mit ihm wirtschaftlich verbundene (Tochter-)Gesellschaft ermöglicht, ist unwirksam. Macht eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Mängelansprüche wegen Mängeln an der Bausubstanz des gemeinschaftliches Eigentums gegen den Bauträger geltend, so ist es diesem als Verwender der genannten unwirksamen Formularklausel nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich darauf zu berufen, dass sich der Vertrag mangels wirksamer Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums insoweit noch im Erfüllungsstadium befinde, weshalb im Rahmen der Anspruchsbegründung die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums als Voraussetzung für die Geltendmachung von Mängelansprüchen zu unterstellen ist.

2 Normenkette

§§ 9a Abs. 2, 19 WEG

3 Das Problem

Eine Wohnungseigentumsanlage wird in den Jahren 2005/2006 von Bauträger B errichtet. Die Wohnungseigentumsrechte werden im Jahr 2005 verkauft. In den Kaufverträgen wird das Grundstück als ein Grundstück, das "bebaut werden soll", bezeichnet. Als Datum der voraussichtlichen Fertigstellung ist der 30.6.2005 angegeben. Die "Übergabe/Abnahme" soll bei Fertigstellung erfolgen. Für die "Übergabe/Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums" beauftragen und bevollmächtigen die Käufer nach einer Vertragsklausel unwiderruflich den Verwalter, bei dem es sich aber um eine Tochtergesellschaft des B handelt. Im Jahr 2007 rügt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K Planungs- und Ausführungsmängel im Bereich der Dach- und Balkonentwässerung. Diese werden auf der Grundlage einer Vereinbarung zwischen B, dem Generalbauunternehmer und dem planenden Architekturbüro beseitigt. Weitere Mängel rügt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Jahr 2012. Hierüber wird ein Vergleich geschlossen. Am 20.4.2014 wird auf einer Versammlung die Unwirksamkeit der Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums "festgestellt". In der Folge wenden sich einzelne Wohnungseigentümer und der Verwalter mit Mängelrügen und der Forderung nach einer Abnahme an B. Dieser stellt mit einem an die Verwalterin gerichtetem Schreiben vom 3.9.2015 Mängel in Abrede und beruft sich auf Verjährung. Am 27.11.2018 beschließen die Wohnungseigentümer, die Ausübung ihrer Nacherfüllungs- und Mängelansprüche mit Ausnahme des großen Schadensersatzes und des Rücktritts K zu "übertragen". Mit einem am 2.6.2020 eingegangenen Schriftsatz reicht K Klage ein. Sie verlangt insbesondere die Zahlung eines Kostenvorschusses zur Mängelbeseitigung und wegen verschiedener Positionen Schadensersatz. Das LG weist die Klage ab. Die Berufung bleibt erfolglos. Dagegen richtet sich die Revision. Mit Erfolg!

4 Die Entscheidung

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei befugt, Vorschuss für Aufwendungen zur Beseitigung von Mängeln an der Bausubstanz des gemeinschaftlichen Eigentums zu verlangen. Bei einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer bestehe die Prozessführungsbefugnis, die sich, wie hier, aus einem vor dem 1.12.2020 erlassenen Vergemeinschaftungsbeschluss ergebe, auch nach der Neuregelung der Ausübungsbefugnis in § 9a Abs. 2 WEG fort. Das gelte nicht nur dann, wenn ein entsprechender (Nacherfüllungs-)Anspruch des Erwerbers auf eine kaufvertragliche Nachbesserungspflicht gestützt werde, sondern auch dann, wenn ein werkvertraglicher Anspruch auf Kostenvorschuss (§§ 634 Nr. 2, 637 Abs. 3 BGB) in Rede stehe. Es gebe auch keine Abnahme. Denn eine Klausel, die die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums durch einen mit dem Bauträger wirtschaftlich oder rechtlich verbundenen Erstverwalter ermögliche, sei unwirksam. B dürfe sich aber nicht darauf berufen, dass sich der Vertrag mangels wirksamer Abnahme insoweit noch im Erfüllungsstadium befinde, weshalb im Rahmen der Anspruchsbegründung die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums als Voraussetzung für die Geltendmachung von Mängelansprüchen zugunsten der K zu unterstellen sei. K sei es wegen widersprüchlichen Verhaltens unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Fall aber, anders als vom Berufungsgericht angenommen, nicht verwehrt, sich im Rahmen der Verjährung auf das Fehlen der Abnahme zu berufen. Ein i. S. d. § 242 BGB rechtsmissbräuchliches widersprüchliches Verhalten der K könne nicht angenommen werden. Ob die Ansprüche verjährt seien, könne aus AGB-rechtlichen Gründen offenbleiben. B sei es als Verwender der unwirksamen Abnahme-Formularklausel nämlich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich darauf zu berufen.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall wollen Wohnungseigentümer nach über einem Jahrzehnt vom Bauträger noch Vorschuss für Aufwendungen zur Beseitigung von Mängeln an der Bausubstanz des gemeinschaftlichen Eigentums.

Mängelrechte

Der Vorschussanspruch ist ein Mängelrecht, welches 5 Jahre nach der Abnahme verjährt. Gibt es keine Abnahme, gibt es auch keine Verjährung. Allerdings gibt es dann eigentlich auch keine Mängelrechte. Der BGH meint hier seit Langem, der Ba...

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