Zunächst können die Wohnungseigentümer sämtliche Maßnahmen der baulichen Veränderung als Gemeinschafts- bzw. Vornahmemaßnahme durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beschließen. Sie können also insbesondere auch die privilegierten Gestattungsmaßnahmen des § 20 Abs. 2 WEG als Gemeinschaftsmaßnahme beschließen.

Zu beachten ist allerdings stets, dass lediglich diejenigen Wohnungseigentümer die Kosten derartiger Maßnahmen zu tragen haben, die mit "Ja" gestimmt haben.

Zwei bedeutsame Ausnahmen bestehen nach § 21 Abs. 2 Satz 1 WEG für solche Maßnahmen,

  • für die mehr als 2/3 der abgegebenen Stimmen votieren und dabei die Hälfte der Miteigentumsanteile repräsentieren, soweit die Kosten nicht unverhältnismäßig sind, oder
  • deren Kosten sich in einem angemessenen Zeitraum amortisieren.

Im Übrigen gilt zwar der Grundsatz, dass auch lediglich die kostentragungsverpflichteten Wohnungseigentümer die durch die bauliche Veränderung geschaffene Einrichtung nutzen dürfen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass abhängig von der konkreten Baumaßnahme ein Nutzungsausschluss nicht zustimmender und somit auch nicht kostentragungsverpflichteter Wohnungseigentümer schlicht nicht möglich ist.

 
Praxis-Beispiel

Nutzungsausschluss nicht möglich

Beschließt die Mehrheit der Wohnungseigentümer unterhalb der Schwelle des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG die Überdachung des Eingangsbereichs der Wohnanlage oder eine Einfriedung des gemeinschaftlichen Grundstücks, profitieren hiervon alle Wohnungseigentümer. Ein Nutzungsausschluss ist faktisch unmöglich.

Entsprechendes gilt für sämtliche Maßnahmen sonstiger Modernisierung und auch energetischer Modernisierung der Wohnanlage, soweit die qualifizierte Mehrheit des § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG nicht erreicht ist und sich auch die Kosten nicht nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren.

2.1 Modernisierende Erhaltung

Umstritten ist, ob Maßnahmen der modernisierenden Erhaltung als bauliche Veränderungen zu qualifizieren sind oder noch den Erhaltungsmaßnahmen zugeordnet werden können. Die herrschende Meinung ordnet sie als Maßnahmen der baulichen Veränderung ein.[1]

Keine Konsequenzen hat die Differenzierung zunächst hinsichtlich einer Kostenbelastung sämtlicher Wohnungseigentümer. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG ordnet nämlich eine Kostentragungsverpflichtung aller Wohnungseigentümer für Maßnahmen der baulichen Veränderung an, die sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren. Auch nach der vor Inkrafttreten des WEMoG geltenden Rechtslage mussten sich die Kosten einer modernisierenden Instandsetzung innerhalb eines solchen Zeitraums amortisieren. Als maßgeblich wurde ein Zeitraum von ca. 10 Jahren angenommen.[2] Zwar kein unverrückbares Dogma, aber doch als wichtiger Anhaltspunkt gilt dieser Zeitraum auch hinsichtlich der Regelung in § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG.[3]

Finanzierung von Maßnahmen der modernisierenden Erhaltung

Praktische Auswirkungen hat der Meinungsstreit im Ergebnis allerdings auf die Finanzierung dieser Maßnahmen. Geht man mit der h. M. davon aus, dass Maßnahmen der modernisierenden Erhaltung unter § 20 Abs. 1 WEG zu subsumieren sind, könnte dies zu der Annahme verleiten, eine Finanzierung aus der Erhaltungsrücklage käme nicht in Betracht. Hier wird die Rechtsprechung grundsätzlich für Klärung sorgen müssen.

Allerdings ist stets zu berücksichtigen, dass Erhaltungsmaßnahmen entsprechend den heutigen energetischen Anforderungen durchzuführen sind und im Übrigen dem anerkannten Stand der Technik sowie den Regeln der Baukunst und insbesondere öffentlich-rechtlichen Vorgaben entsprechen müssen.[4] Ist z. B. das Dach der Wohnanlage erhaltungsbedürftig, sind die geltenden Anforderungen nach dem GEG zu beachten. Entsprechendes gilt für Erhaltungsmaßnahmen an der Gebäudefassade. Insoweit werden viele Erhaltungsmaßnahmen auch mit einer Modernisierung verbunden und dennoch als Erhaltungsmaßnahmen des § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG zu kategorisieren sein. Zu berücksichtigen wird weiter sein, dass der Vermieter das Recht hat, den bei der Erhaltung nach § 555a BGB jeweils neuesten Stand der Technik einzuhalten.[5]

Abseits hiervon aber und eine modernisierende Erhaltung darstellend, können Maßnahmen, die über die Erhaltung hinausgehen, nicht über die Erhaltungsrücklage finanziert werden. Die Wohnungseigentümer haben hier vielmehr nach §§ 19 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 WEG die Möglichkeit der Bildung einer Rücklage für bauliche Veränderungen, die mit einer Kostenbelastung sämtlicher Wohnungseigentümer verbunden sind.

[1] LG München I, Urteil v. 9.11.2022, 1 S 3113/22 WEG, ZWE 2023, 170; AG Hamburg-St. Georg, Urteil v. 2.9.2022, 980b C 39/21, ZMR 2022, 1005; Jennißen/Sommer/Heinemann, WEG, § 19 Rn. 104; Zschieschack ZWE 2021, 68 (69); Abramenko, Das neue Wohnungseigentumsrecht, 2020, § 4 Rn. 3; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kap. 6 Rn. 9; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020 Rn. 1609; BeckOGK/Kempfle, 1.6.2021, § 20 Rn. 33; Blankenstein, WEG-Reform 2020, S. 467; a. A. Deutsches Ständi...

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