Auch der persönliche Anwendungsbereich des § 14b Abs. 1 FamFG war nach Ansicht des BGH eröffnet. In der Rspr. des BGH sei mittlerweile geklärt, dass für Rechtsanwälte die Pflicht zur elektronischen Übermittlung gem. § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG auch dann bestehe, wenn sie – wie hier als anwaltlicher Berufsbetreuer – berufsmäßig im eigenen Namen auftreten (vgl. BGH, Beschl. v. 31.1.2023 – XIII ZB 90/22, FamRZ 2023, 719 [Verfahrenspfleger]; vgl. zu § 130d ZPO: BGH, Beschl. v. 24.11.2022 – IX ZB 11/22, WM 2023, 89 [Insolvenzverwalter]).

1. Wortlaut

Dem Wortlaut des § 14b Abs. 1 FamFG lässt sich nach Auffassung des BGH für eine Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs auf den Fall der Vertretung eines Beteiligten durch einen Rechtsanwalt nichts entnehmen. Vielmehr deuten nach Ansicht des BGH sowohl die auf eine "Nutzungspflicht für Rechtsanwälte" abstellende amtliche Überschrift der Vorschrift als auch der Wortlaut von § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG, wonach "durch einen Rechtsanwalt" bei Gericht einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln sind, auf eine generelle Nutzungspflicht für Rechtsanwälte unabhängig von ihrer Rolle im Verfahren hin (vgl. BGH, Beschl. v. 31.1.2023 – XIII ZB 90/22, FamRZ 2023, 719). Dies verdeutliche auch ein Vergleich des Wortlauts der Parallelvorschrift des § 130d S. 1 ZPO mit dem Wortlaut des ebenfalls durch das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 geschaffenen § 130a Abs. 1 ZPO: Während nämlich in § 130a Abs. 1 ZPO von Schriftsätzen der Parteien die Rede sei und damit womöglich ein Vertretungsverhältnis beim Handeln eines Rechtsanwalts gegenüber dem Gericht vorausgesetzt werde, werde in § 130d S. 1 ZPO – wie auch in § 14b Abs. 1 S. 1 FamFG – statusbezogen allein darauf abgestellt, dass Schriftsätze, Anträge und Erklärungen "durch einen Rechtsanwalt" bei Gericht eingereicht werden (vgl. BGH, Beschl. v. 24.11.2022 – IX ZB 11/22, WM 2023, 89).

2. Gesetzesbegründung

Der Gesetzesbegründung zu § 130d ZPO, auf die hinsichtlich der Nutzungspflicht in den Materialien zu § 14b FamFG inhaltlich verwiesen werde (BT-Drucks 17/12634, 36), lasse sich für die Beurteilung der Frage nach einer rollen- oder statusbezogenen Nutzungspflicht des Rechtsanwalts nichts entnehmen. Einerseits spreche die Begründung zu § 130d ZPO zwar davon, dass die Bestimmung "für alle anwaltlichen schriftlichen Anträge und Erklärungen nach der ZPO" gelte, andererseits in Übereinstimmung mit dem Wortlaut der Vorschrift aber auch davon, dass für alle Rechtsanwälte eine Pflicht zur Nutzung des elektronischen Übermittlungswegs bestehe (BT-Drucks 17/12634, 27 f.). Es sei nicht auszuschließen, dass die Ausführungen an dieser Stelle im Regierungsentwurf von sprachlichen Ungenauigkeiten beeinflusst seien, denen eine besondere Bedeutung nicht beigemessen werden könne (vgl. BGH, Beschl. v. 31.1.2023 – XIII ZB 90/22, FamRZ 2023, 719 und v. 24.11.2022 – IX ZB 11/22, WM 2023, 89).

3. Zweck der Norm

Entscheidend für ein weites und damit statusbezogenes Verständnis der Nutzungspflicht nach § 14b Abs. 1 FamFG sei der Zweck der Norm, der ausweislich der Begründung (vgl. BT-Drucks 17/12634, 27) darin bestehe, durch eine Verpflichtung für alle Rechtsanwälte und Behörden zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten den elektronischen Rechtsverkehr einzuführen. Die Rechtfertigung eines Nutzungszwangs ergebe sich für den Gesetzgeber daraus, dass selbst bei freiwilliger Mitwirkung einer Mehrheit von Rechtsanwälten an diesem Ziel die Nichtnutzung durch eine Minderheit immer noch zu erheblichem Aufwand insbesondere bei den Gerichten führen würde. Es sei nicht hinzunehmen, erhebliche Investitionen der Justiz auszulösen, wenn die für einen wirtschaftlichen Betrieb erforderliche Nutzung nicht sichergestellt sei. Dieser Gesetzeszweck lasse es nur konsequent erscheinen, anwaltliche Verfahrensbeteiligte, die ohnehin ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach für die elektronische Kommunikation vorzuhalten haben (§ 31a BRAO), in die Nutzungspflicht einzubeziehen, auch wenn sie in dem Verfahren nicht im anwaltlichen Erstberuf tätig sind (vgl. BGH, Beschl. v. 31.1.2023 – XIII ZB 90/22, FamRZ 2023, 719 und v. 24.11.2022 – IX ZB 11/22, WM 2023, 89).

Der Anwendbarkeit von § 14b FamFG auf den anwaltlichen Berufsbetreuer stehe auch nicht entgegen, dass dieser dadurch anders als der nichtanwaltliche Berufsbetreuer behandelt werde, der weiterhin alle Anträge und Erklärungen gegenüber dem Gericht schriftlich vornehmen könne, solange er nicht seinerseits einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung betraue. Die sachliche Rechtfertigung für diese unterschiedliche Behandlung liege darin, dass der anwaltliche Betreuer ohnehin über ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach verfügen müsse und auch jenseits des Betreuungsverfahrens einem Zwang zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten unterliege (vgl. BGH, Beschl. v. 31.1.2023 – XIII ZB 90/22, FamRZ 2023, 719 und v. 24.11.2022 – IX...

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