Die Anordnung einer Nachtragsverteilung kommt in der Praxis sehr häufig vor. "Klassiker" bilden dabei die Vorbehalte wegen einer zu erwartenden Steuererstattung. Auch die hier entschiedenen "Nebenkostenabrechnungen" kommen häufig vor – in Zeiten gestiegener Energiekosten aber zumeist nicht mit Erstattungen. Nach § 35 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Auch Steuererstattungsansprüche oder Nebenkostenabrechnungen gehören zur Masse, wenn sie ihren Ursprung in der Insolvenz haben. Eine "automatische" Berücksichtigung dieser Erstattungsansprüche auch nach Verfahrensaufhebung findet nicht statt. Ansprüche werden damit aus der Insolvenzbeschlagnahme entlassen. Bei Bekanntwerden solcher Ansprüche muss zur Vermeidung von Nachteilen die Nachtragsverteilung angeordnet werden. Zwischen Verfahrensaufhebung und (späterer) Anordnung der Nachtragsverteilung obliegt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nämlich wieder dem Schuldner. Der Beschlag des Insolvenzverfahrens ist damit nicht mehr vorhanden und insoweit kann eine "spätere" Anordnung der Nachtragsverteilung potentiell durch entsprechende Verfügungen untergehen. In der Praxis steht der Insolvenzverwalter nun in der Zwickmühle. Lässt man das Verfahren "offen" – teils über Monate oder Jahre – bis der Anspruch realisiert werden kann oder schließt man ab und behält sich eine Nachtragsverteilung vor. Letzteres erscheint auch für die Gläubiger vorzugswürdig, die schon lange genug auf ihr Geld warten mussten. Folgt man dem AG Fulda, müssten zukünftig Verfahren wesentlich "länger" offengehalten werden. Dies kann nicht sein – verursacht eine lange Verfahrensdauer doch an sich bereits weitere Kosten. Auch die Aberkennung einer Vergütung für eine Tätigkeit außerhalb des Insolvenzverfahrens mit der Begründung, dies hätte bereits im Verfahren erfolgen können, erscheint höchst zweifelhaft. Die Vergütung des Insolvenzverwalters ist eine aufwandsbezogene Vergütung, in der der Verwalter für seinen Aufwand honoriert wird. Der zusätzliche Aufwand entsteht durch Anordnung der Nachtragsverteilung. Das Gesetz stellt dabei nicht darauf ab, ob diese Nachtragsverteilung "schuldhaft" entstanden ist, weil der Verwalter vielleicht im laufenden Verfahren etwas übersehen haben mag. Eine Instrumentalisierung der Vergütung ist nämlich dem System der InsVV fremd. Zusammenfassend ist also der Ansicht des AG Fulda nicht zu folgen.

Dipl.-RPfl. Stefan Lissner, Konstanz

AGS 9/2023, S. 429 - 431

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