§ 51 RVG

Leitsatz

Zur Gewährung einer Pauschgebühr in einem umfangreichen und schwierigen Wirtschaftsstrafverfahren.

OLG Dresden, Beschl. v. 15.12.2023 – 1 (S) AR 53/22

I. Sachverhalt

Der Rechtsanwalt ist dem Angeklagten in dem Wirtschaftsstrafverfahren noch im Ermittlungsverfahren am 6.11.2013 als Pflichtverteidiger bestellt worden. Nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens hat der Verteidiger mit Schriftsatz v. 18.8.2022 die Bewilligung einer Pauschvergütung für die Vertretung des Angeklagten im Ermittlungsverfahren, in der Hauptverhandlung vor dem LG und in der Revisionsinstanz i.H.v. 300.000,00 EUR (netto) beantragt. Die Bezirksrevisorin bei dem OLG hat zu dem Antrag Stellung genommen. Sie hat ihn wegen des (Akten-)Umfangs der Sache i.H.v. 2.240,00 EUR über den gesetzlichen Gebühren i.H.v. 89.015,00 EUR befürwortet. Das OLG hat eine Pauschgebühr i.H.v. 23.000,00 EUR bewilligt.

II. Voraussetzungen für eine Pauschgebühr nach § 51 RVG

Das OLG nimmt noch einmal zu den Voraussetzungen einer Pauschgebühr nach § 51 RVG für den Pflichtverteidiger Stellung. Es bezieht sich dabei weitgehend auf die Kommentierung der Vorschrift bei Gerold/Schmidt/Burhoff (RVG, 26. Aufl., 2023, § 51 RVG Rn 9 ff.), die das OLG referiert/wiederholt. Ähnlich verfährt es mit der Rspr. des BVerfG, wonach wegen des Grundrechts des Pflichtverteidigers auf freie Berufsausübung sicher gestellt sein müsse, dass dem Pflichtverteidiger kein unzumutbares Opfer abverlangt werde (vgl. BVerfGE 68, 237, 255). Dieses Ziel stelle § 51 Abs. 1 RVG sicher (BVerfG NJW 2005, 1264 f.; NStZ 2001, 211 f.; NStZ-RR 2007, 359; AGS 2009, 66). Sinn und Zweck der Pauschgebühr sei es danach nicht, dem Verteidiger einen zusätzlichen Gewinn zu verschaffen; sie solle nur eine unzumutbare Benachteiligung verhindern (vgl. auch Toussaint, Kostenrecht, 53. Aufl., 2023, § 51 RVG Rn 2). Die Bewilligung einer Pauschgebühr komme nach alledem nur noch in Ausnahmefällen in Betracht (OLG Frankfurt NStZ-RR 2006, 63 f.).

III. Besonderer Umfang

Gemessen an diesen Maßstäben sei der Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung (nur) i.H.v. 23.000,00 EUR gerechtfertigt. Der darüber hinausgehende Antrag sei als unbegründet zurückzuweisen.

1. Aktenumfang

Das Verfahren sei aufgrund des Aktenumfangs als besonders umfangreich i.S.d. § 51 Abs. 1 RVG anzusehen. So sei bis zur ersten Hauptverhandlung von einem wesentlichen Aktenumfang von bis zu 50.000 Blatt auszugehen, wobei sich der Umfang der Hauptakten bis zum Ende des Verfahrens jedoch deutlich erhöht habe. Die von den Strafsenaten des OLG für vergleichbare Fälle nach § 51 Abs. 1 RVG aufgestellten Grundsätze sehen vor, dass bei erstinstanzlichen Verfahren vor dem LG ab einem Aktenumfang ab 1.200 Blatt eine Pauschvergütung bewilligt werden kann. Danach sei je nach Umfang der Akte eine Staffelung der zusätzlich zur Grundgebühr zu gewährenden Gebühren vorzunehmen. Eine lineare Fortführung der Tabelle könne im Einzelfall angemessen sein, sei aber nicht generell geboten. Dazu komme, dass den Verteidigern umfangreiche elektronische Daten zur Verfügung gestellt worden seien, u.a. allein ein drei Terrabyte umfassendes Exzerpt digitalisierter Daten. Andererseits sei insoweit zu beachten, dass es sich dabei nicht per se um klassischen Lesestoff gehandelt habe, vielmehr hätten die Inhalte in großen Teilen lediglich einer kursorischen Erfassung bedurft und seien Grundlage computergestützter Recherchen gewesen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.4.2018 – III-3 AR 256/16, RVGreport 2018, 213). Im Hinblick auf den vorliegend besonders großen Akten- und Datenumfang halte der Einzelrichter hier aber eine deutliche Erhöhung der Grundgebühr für gerechtfertigt.

2. Haftsituation u.a.

Einen besonderen Umfang habe der Verteidiger nachvollziehbar in Bezug auf die Haftsituation seines Mandanten, insbesondere die Vielzahl der benannten Haftbesuche bereits im Rahmen des Ermittlungsverfahrens und in Bezug auf die im Zusammenhang mit Haftentscheidungen erstellten Schriftsätze dargetan. Dies habe bei der Entscheidung ebenso Berücksichtigung gefunden wie der vor allem angesichts der Urteilsgründe erhöhte Aufwand im Revisionsverfahren.

3. Tätigkeiten während der Hauptverhandlung

Keine Pauschvergütung rechtfertigt sich hingegen – so das OLG – selbst angesichts der hohen Zahl der Hauptverhandlungstage und des insoweit aufgetretenen Vor- und Nachbearbeitungsaufwandes – für den Umfang der Tätigkeit des Verteidigers während der Hauptverhandlung. Insoweit fehle es an der Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren, die nach dem klaren Wortlaut des § 51 Abs. 1 S. 1 RVG und dem in der amtlichen Begründung zum RVG (vgl. BT-Drucks 15/1971, 201) zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise (BVerfG NJW 2007, 3420) neben einem besonders schwierigen oder besonders umfangreichen Verfahren zusätzlich vorauszusetzen sei. Insbesondere könne der Pflichtverteidiger vor diesem Hintergrund eine ausschließliche oder fast ausschließliche Inanspruchnahme nicht aufzuzeigen. Die zwischen dem 16.11.2015 und dem 9.7.2018 an insgesamt 168 Tagen durchgeführte Hauptverh...

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