Gemessen an diesen Maßstäben sei der Antrag auf Bewilligung einer Pauschvergütung (nur) i.H.v. 23.000,00 EUR gerechtfertigt. Der darüber hinausgehende Antrag sei als unbegründet zurückzuweisen.

1. Aktenumfang

Das Verfahren sei aufgrund des Aktenumfangs als besonders umfangreich i.S.d. § 51 Abs. 1 RVG anzusehen. So sei bis zur ersten Hauptverhandlung von einem wesentlichen Aktenumfang von bis zu 50.000 Blatt auszugehen, wobei sich der Umfang der Hauptakten bis zum Ende des Verfahrens jedoch deutlich erhöht habe. Die von den Strafsenaten des OLG für vergleichbare Fälle nach § 51 Abs. 1 RVG aufgestellten Grundsätze sehen vor, dass bei erstinstanzlichen Verfahren vor dem LG ab einem Aktenumfang ab 1.200 Blatt eine Pauschvergütung bewilligt werden kann. Danach sei je nach Umfang der Akte eine Staffelung der zusätzlich zur Grundgebühr zu gewährenden Gebühren vorzunehmen. Eine lineare Fortführung der Tabelle könne im Einzelfall angemessen sein, sei aber nicht generell geboten. Dazu komme, dass den Verteidigern umfangreiche elektronische Daten zur Verfügung gestellt worden seien, u.a. allein ein drei Terrabyte umfassendes Exzerpt digitalisierter Daten. Andererseits sei insoweit zu beachten, dass es sich dabei nicht per se um klassischen Lesestoff gehandelt habe, vielmehr hätten die Inhalte in großen Teilen lediglich einer kursorischen Erfassung bedurft und seien Grundlage computergestützter Recherchen gewesen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.4.2018 – III-3 AR 256/16, RVGreport 2018, 213). Im Hinblick auf den vorliegend besonders großen Akten- und Datenumfang halte der Einzelrichter hier aber eine deutliche Erhöhung der Grundgebühr für gerechtfertigt.

2. Haftsituation u.a.

Einen besonderen Umfang habe der Verteidiger nachvollziehbar in Bezug auf die Haftsituation seines Mandanten, insbesondere die Vielzahl der benannten Haftbesuche bereits im Rahmen des Ermittlungsverfahrens und in Bezug auf die im Zusammenhang mit Haftentscheidungen erstellten Schriftsätze dargetan. Dies habe bei der Entscheidung ebenso Berücksichtigung gefunden wie der vor allem angesichts der Urteilsgründe erhöhte Aufwand im Revisionsverfahren.

3. Tätigkeiten während der Hauptverhandlung

Keine Pauschvergütung rechtfertigt sich hingegen – so das OLG – selbst angesichts der hohen Zahl der Hauptverhandlungstage und des insoweit aufgetretenen Vor- und Nachbearbeitungsaufwandes – für den Umfang der Tätigkeit des Verteidigers während der Hauptverhandlung. Insoweit fehle es an der Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren, die nach dem klaren Wortlaut des § 51 Abs. 1 S. 1 RVG und dem in der amtlichen Begründung zum RVG (vgl. BT-Drucks 15/1971, 201) zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise (BVerfG NJW 2007, 3420) neben einem besonders schwierigen oder besonders umfangreichen Verfahren zusätzlich vorauszusetzen sei. Insbesondere könne der Pflichtverteidiger vor diesem Hintergrund eine ausschließliche oder fast ausschließliche Inanspruchnahme nicht aufzuzeigen. Die zwischen dem 16.11.2015 und dem 9.7.2018 an insgesamt 168 Tagen durchgeführte Hauptverhandlung habe – bei quartalsmäßiger Betrachtung – zu einer Terminsdichte zwischen 0,7 und 1,6 Hauptverhandlungstagen pro Woche und bei einer Gesamtbetrachtung von 1,2 Hauptverhandlungstagen pro Woche geführt.

Eine Berücksichtigung der Verhandlungsdichte kommt nach der obergerichtlichen Rspr., der auch das OLG folge, regelmäßig erst bei einer Terminsdichte von (mehrfach) mindestens drei ganztägigen Verhandlungen pro Woche in Betracht (vgl. OLG Celle, Beschl. v. 10.12.2021 – 5 AR (P) 7/20, AGS 2022, 172 = StraFo 2022, 127 = JurBüro 2022, 131). Die Anzahl der Hauptverhandlungstermine und deren Dauer werde durch die jeweiligen Terminsgebühren und ggf. Längenzuschläge erfasst. Eine Pauschvergütung sei auch durch die umfangreiche Nutzung des Selbstleseverfahrens durch eine Vielzahl entsprechender Anordnungen und im Umfang von über 6.000 Seiten nicht veranlasst. Bei "Aufteilung" auf die Anzahl der Hauptverhandlungstage ergebe sich daraus lediglich ein Leseaufwand von etwas über 40 Seiten pro Hauptverhandlungstag, der ebenfalls als noch nicht unzumutbar einzuordnen sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es sich dabei regelmäßig um Unterlagen handelt, die ohnehin im Rahmen der Einarbeitung zur Kenntnis zu nehmen gewesen seien (OLG Hamm, Beschl. v. 5.5.2022 – III-5 RVGs 16/22, AGS 2022, 258).

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